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Auf dieser Seite sind folgende Beiträge

zur regionalen Musikforschung veröffentlicht:

Regionale Komponisten am Cottbuser Theater

Birgit Mache, Cottbus (2011/2012)

 

 

Regionale Komponisten am Cottbuser Theater

Birgit Mache, Cottbus (2011/2012)

 

Zum sorbisch-wendischen Musikschaffen

Ulrich Pogoda, Cottbus (2014)

 

Heinrich Paudler - Komponist und Kapellmeister

Birgit Mache, Cottbus (2015/2016)

 

Ein Leben für die Musik - Zum 10. Todestag von GMD Frank Morgenstern

Birgit Mache, Cottbus (2017)

 

 

BÜHNENWERKE

Einer der meistgespielten regionalen Komponisten am Cottbuser Theater ist wohl Dieter Nowka, der auch von 1947 bis 1949 hier als Solorepetitor engagiert war. Schon während dieser Zeit werden 1948 sein Orchesterwerk Ballade für Orchester c-moll und im Mai 1949 Scherzo in e-moll für Orchester Werk 6 im Stadttheater Cottbus uraufgeführt. Diesen Uraufführungen folgen im Oktober 1955 Komödianten – 6 Szenen aus der Zeit des Thespiskarrens, zwei Jahre später das Konzert für Violine und Orchester op. 54, im August 1960 Tänze aus der Lausitz und im Oktober 1962 Lausitzer Triptychon. Im März 1976 dirigiert Robert Hanell sein Konzert für Klavier (linke Hand) und Orchester op. 71 und im September 1989 wiederholt Frank Morgenstern dessen Lausitzer Tänze.

Große nationale Aufmerksamkeit wird Dieter Nowka 1958 bei der Uraufführung seiner Oper „Jan Suschka“ (Libretto Bodo Krautz) anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Cottbuser Theaters zuteil. Otto Grotewohl, der damalige Ministerpräsident der DDR, wird hierzu als Ehrengast begrüßt. Die Aufführung „Jan Suschka“ lebt nicht zuletzt von der Mitwirkung des deutsch-sorbischen Tanzensembles Bautzen und von der intensiven Darstellung des Heldentenors Günter Gützlaff in der Titelrolle. Vier Jahre zuvor hat bereits die Operette „Netze an Bord“ am Theater Premiere – Komponist ist der Cottbuser Johannes Werner, das Libretto stammt auch von Bodo Krautz.

 Die ersten Aufführungen regionaler Komponisten gibt es schon knapp drei Jahre nach der Eröffnung des Theaters, zum Jahresanfang 1912, mit dem musikalischen Singspiel „Unter dem Halbmond“ von Heimatautor Ewald Müller und dem Komponisten und Leiter des städtischen Orchesters Heinrich Paudler. Der Cottbuser Anzeiger vermerkt hierzu am 21.1.1912: „Selbst, wenn man das lokale Interesse für einen gewissen Teil des Erfolges verantwortlich machen will, blieben doch genug der Anzeichen, die einen Erfolg auch an fremden Theatern verbürgen.“

Zuvor hatte es noch im Dezember 1911 die Uraufführung der romantischen Operette „Der Wendenkönig“ vom Dichter und Komponisten Philipp Bock gegeben, von der man irreführend annehmen konnte, dass sie von einem ortsansässigen Künstler geschaffen wurde. Allerdings ist diese Operette das Erstlingswerk „eines feinnervigen Mimen und umsichtigen Theaterdirektors“, „dem Direktor des alljährigen deutschen Gesamtgastspiels im Kaiserlichen Michael-Theater, St. Petersburg“. Mit der Umsetzung dieses Werkes auf die Bühne stellt sich der neue Theaterdirektor Otto Maurenbrecher erstmals als Regisseur am Cottbuser Theater vor. Zum Ende der Spielzeit 1911/12 leitet Theaterdirektor Otto Maurenbrecher dann auch die Uraufführung „Die Spreewälder“, verfasst vom Kantor Riese in Sielow bei Cottbus, in der Laienkünstler aus Sielow und Werben wendische und deutsche Tänze und Gesänge darbieten und dafür vom heimischen Publikum gefeiert werden. Der Erlös dient dem Erwerb des Schloßberges bei Burg. Eine Aufführung der Oper von Kurt Karnauke „Die Macht der Liebe“ konnte auf der Cottbuser Bühne bisher noch nicht nachgewiesen werden.

Am 26.4.1939 hat „Medea“ des 1905 in bzw. zu Cottbus geborenen Komponisten C. H. Grovermann Premiere. Neben einer zweiten Oper „Fanal“ komponiert er vor allem sinfonische und kammermusikalische Werke. Dieter Nowka und indirekt auch Heinrich Paudler sind nicht die einzigen ehemals am Cottbuser Theater beschäftigten Tondichter. Weiter und damit zumindest zeitweilig  regionalen Komponisten gehören dazu, hier in zeitlicher Reihenfolge ihres Engagements: Edgar Neumann, Repetitor von 1945 bis 1947, Hermann Josef Nellessen (Musikalischer Leiter und Musikdirektor 1958-63), Harald Lorscheider, Solo-Pauker von 1962 bis 1984, Hans Hütten, Trompeter von 1964 bis 1971, Hubert Kross, 1. Kapellmeister von 1968-1971, die Schauspielkapellmeister Hans Wilhelm Hösl (1970-75), Rainer Böhm (1993-94) und Frank Petzold (1994-2001) sowie Musikdirektor Diether Noll (Solorepetitor 1993-99) und Bernd Weinreich (Pressereferent 2004-06). Die meisten Kompositionen gelangen vor allem in Konzerten und Kammerkonzerten zur Aufführung. In den 1960er bis 1980er Jahren werden sie dabei oft vom legendären Küster-Quartett gespielt. Aber auch einige Bühnenwerke dieser Komponisten feiern ihre Uraufführung auf der Cottbuser Bühne. So wird im Februar 1989 Frank Petzolds Märchenoper „Prinzessin Zartfuß und die sieben Elefanten“ in der Regie von Ferdinand Hofmann aufgeführt. Und zum 90. Geburtstag des Theaters im Oktober 1998 inszeniert Martin Schüler die Oper von Rainer Böhm „Quasimodos Hochzeit“.

Nachgefragt, wie weit die regionalen Komponisten – unabhängig von der o. a. Erweiterung – für diesen Beitrag eingegrenzt werden, heißt es, dass damit vor allem die „LAUSITZ“ umrissen sei – also die Ober- und Niederlausitz, von Bautzen bis Dahme / Forst bis Senftenberg / und natürlich Cottbus. In Ergänzung dazu, da in der heutigen Zeit die Entfernungen gefühlt immer kleiner werden, sollen hier noch weitere Komponisten vor allem aus den Berliner Raum einbezogen und davon diejenigen aufgezählt werden, von denen gleich mehrere Bühnenwerke am Cottbuser Theater aufgeführt wurden: Robert Hanell (1959 „Die Spieldose“, 1969 „Esther“), Siegfried Matthus (1974 „Lazarillo von Tormes“, 2001 „Kronprinz Friedrich“, 2009 „Cosima“), Gerd Natschinski (1961 und 1999 „Messeschlager Gisela“, 1961 „Servus Peter; 1965, 1974 und 2005 „Mein Freund Bunbury“), Gerhard Tittel (1966 „Die Goldgans, 1966 „Der Bauer und sein König“), Udo Zimmermann (1983 „Der Schuhu und die fliegende Prinzessin“, 1986 „Weiße Rose“).

KONZERTE

Nachdem im ersten Teil die Bühnenwerke regionaler Komponisten im Blickpunkt der Betrachtung standen, befasst sich dieser Teil mit den konzertanten und ansatzweise auch mit den kammermusikalischen Werken am Cottbuser Theater. Wie auch schon im vorherigen Beitrag gilt dabei, dass die Auflistung nicht vollständig ist, glücklicherweise aber immer noch neue Kenntnisse einfließen.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts herrscht in Cottbus ein reges Musikleben. Der Cottbuser Anzeiger ist voller Ankündigungen für Konzerte, Kaffeemusik, Veranstaltungen der verschiedensten Kapellen und kleinen Orchester oder des Musik- und Oratorienvereins, die ab 1908 zum Teil auch im Stadttheater stattfinde

n, ebenso wie Aufführungen des Stäberchores in seinen verschiedenen Vereinigungen oder des Niederlausitzer Sängerbundes. Eine wichtige Rolle im Konzertleben spielt auch die ortsansässige Regimentskapelle des Infanterieregiments bzw. des Ersatz-Batallions. Die Bedeutung eines Orchesters bzw. dessen Wahrnehmung in Publikationen des Theaters ist anfangs erstaunlich zurückhaltend. So werden beispielsweise auf der ersten Übersicht des künstlerischen Personals 1908 die Schauspieler, Sänger, Tänzer und in Gruppe auch die Damen und Herren des Chores aufgezählt, allein das Orchester bzw. der Hinweis auf die Stadtkapelle unter der Leitung von Heinrich Paudler fehlt völlig. Ähnliches lässt sich bei den Programmblättern musikalischer Darbietungen verfolgen, bei denen doch offensichtlich ein Orchester gespielt hat. Der erste aufgefundene Programmzettel zu einem volkstümlichen Konzert-Abend im Theater unter der musikalischen Leitung von Kapellmeister Hans Philipp Othmer stammt von Januar 1913. Interessant ist ein Programmzettel, der extra den Komponisten Erich Buder als Cottbuser benennt, dessen Werk Urkraft am 14. März 1914 im Theater aufgeführt wurde. Folgt man den Angaben zum Geburtsjahr 1898 von Wikipedia, hätte er dieses also im jugendlichen Alter komponiert. Im April 1915 findet eine konzertante Aufführung zu Ehren Bismarcks statt, ansonsten gibt es vorrangig Bunte Abende bzw. Liederabende, oft von der Regimentskapelle begleitet und abwechselnd von den Kapellmeistern des Theaters bzw. des musikalischen Leiter des Regiments, zumeist Adolf Cassebohm, dirigiert.

Einen ersten Höhepunkt erreicht das Konzertschaffen im Theater unter der Leitung von Hofkapellmeister Paul Prill, der ab der Spielzeit 1919/1920 eine Konzertreihe mit insgesamt vier Konzerten veranstaltet, ein Chorkonzert mit der Aufführung des „Elias“ von Felix Mendelssohn Bart, einen Klavierabend, einen Liederabend und einen Kammermusikabend als Gastspiel des Leipziger Gewandhausquartetts. Dazu dirigiert er am 23.5.1919 ein Beethovenkonzert. Als 1924 der Sohn Richard Wagners, Siegfried Wagner, im Theater mit Werken seines Vaters und auch eigenen gastiert, hat Paul Prill zuvor die Einstudierung mit dem Orchester übernommen. Mitte der 1920er Jahre beginnt die Tradition der Musikalischen Morgenfeiern, zunächst durch die Bläservereinigung des Stadttheaters, ab 1925 über mehrere Jahre unter der Stabführung von Konzertmeister Peter Heppes. Dabei kommen im April 1929 auch Komponisten aus Cottbus zu Gehör, zum einen von Paul Mittmann: Serenade für Flöte, Violine, Violoncello, zum anderen von Erwin Kossakowski mit Lieder[n] für Sopran. Erwin Kossakowski ist zwischen 1928 und 1931 am Cottbuser Theater zunächst als  Korrepetitor, später als 3. Kapellmeister beschäftigt. Wie schon im voran gegangenen ersten Teil angewandt,  gehört er damit in die Auswahl regionaler Komponisten. Dies trifft auch für Heribert Zinner zu, von 1930/31 bis zur Schließung des Theaters 1944 als Chordirektor und Kapellmeister der Oper beschäftigt. Von ihm werden in den 1930er Jahren gleich mehrere Werke aufgeführt, so 1931 Streichquartett G-Dur, 1932 und 1939 Symphonisches Rondo A-Dur und 1937 Symphonie in einem Satz D-Moll. Der neue musikalische Oberleiter Ludwig Josef Kaufmann ab der Spielzeit 1939/40 bringt 1939 erneut dessen Sinfonisches Rondo A-Dur zu Gehör und leitet am 29. Oktober 1940 einen Kammermusikabend Cottbuser Komponisten (Abb. 2) mit Werken von Will Mewes – zwischen 1926 und 1928 als Chordirektor und dann Repetitor am Stadttheater engagiert –, Ernst Erich Buder und Kurt Loewe.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges leitet der verdienstvolle Wilhelm Lesse, der 1913 schon als 2. Kapellmeister am Stadttheater Cottbus wirkte, bereits im Juli 1945 das erste Sinfoniekonzert, das mit den wenigen Musikern, die zu dieser Zeit wieder ans Theater zurück gefunden hatten, wohl eher als ein Kammerkonzert gewirkt haben dürfte. Etwa zu dieser Zeit ist auch Edgar Neumann als Repetitor von 1945 bis 1947 am Theater engagiert, dessen Kompositionen werden zwischen 1964 und 1969 die Werke aufgeführt: Ouvertüre zur Ballettsuite "Der stählerne Schritt" (Erstaufführung), Concertino für Violine und Orchester und die Kantate „Aus dem Tagebuch einer 20jährigen". Die Vielzahl der aufgeführten Werke des Komponisten Dieter Nowka, der von 1947-49 am Theater als Solorepetitor engagiert war, wurde bereits benannt. Zu ergänzen sei hier noch die Uraufführung Sinfonische Musik 1956 im Rahmen der Feierlichkeiten zur 800-Jahr-Feier im Cottbuser Theater. 1951 führt Werner Schöniger die Sinfonietta op. 39 von Hans-Georg Burghardt auf. Der Baßposaunist Gotthard Röllig musiziert von 1952 bis 1976 im Orchester des Theaters. Von ihm bringt Kapellmeister Lothar Göthel im Mai 1976 die Sinfonische Suite heraus. Die nächsten Aufführungen regionaler Komponisten stammen von Musikdirektor Hermann Josef Nellessen, von 1958 bis 1963 musikalischer Leiter am Cottbuser Theater, der in seiner Amtszeit folgende eigene Uraufführungen leitet: 1959 Konzert für Kontrabaß und Orchester, 1961 Divertimento für Streichorchester und 1963 Ouvertüre giocosa. Oft werden am Theater auch Kompositionen von Lothar Graap gespielt. Frank Morgenstern dirigiert im September 1959 dessen Suite für Streichorchester (Uraufführung), im Mai 1964 Concertin

 für Oboe und Streichorchester, 1965 Concerto breve für Kamerorchester. 1991 werden dessen Sonata instrumentalis und 2006 im Rahmen der 850-Jahr-Feierlichkeiten der Stadt Cottbus seine Meditationen aufgeführt. Am 29. Mai 1964 leitet Kapellmeister Frank Morgenstern ein Sonderkonzert mit Werken Lausitzer Komponisten - mit den Werken von Lothar Graap und Edgar Neumann (s.o.), sowie von Jan Paul Nagel (zunächst noch unter Horst Nagel aufgeführt), Jan Raupp und Franz Braun. Ein Jahr später gibt das legendäre Küster-Quartett anlässlich seines 10-jährigen Bestehens ebenfalls ein Sonderkonzert mit Lausitzer Komponisten. Jan Paul Nagel erlebt so 1964 seine ersten Uraufführungen am Cottbuser Theater: Capriccio für Violine und Orchester sowie Sorbischer Tanz und 1965 Streichquartett Nr. 1. Es folgen Sorbische Tänze und die Ouvertüre "Freundschaft der Völker", 1976 Drei Porträts „Gesänge nach Texten von Bobrowski für Bariton und Orchester. 1996 führt GMD Reinhard Petersen  dessen 2. Sinfonie „Voces de la Noche“ und 2003 die Sinfonia V "Drei Gebete" auf. Eine weit größere Anzahl der Werke von Jan Paul Nagel werden allerdings außerhalb des Theaters aufgeführt, darunter nicht wenige vom Kammerchor der Singakademie. Im bereits genannten Sonderkonzert 1964 gibt es von Jan Raupp die Erstaufführung der Sinfonische[n] Suite, 1971werden die Metamorphosen für sinfonisches Orchester aufgeführt, 1973 folgt die Uraufführung Sinfonisches Poem „Babina gotae“. Vom Gubener Komponisten Franz Braun stammt 1964 auch die Erstaufführung „Stimmen der Nachgeborenen – Kantate nach Worten von Helmut Preißler für Orchester op. 41“. 1970 stellt Peter Langhof sein Concertino für Klavier, Streicher und Pauken und 1978 die Uraufführung Die Legende von Joaquin Murieta für Soli, Chor und Orchester vor. Hubert Kross, 1. Kapellmeister von 1968-1971am Theater der Stadt Cottbus, dirigiert im April 1970 selbst die Uraufführung seiner Suite für Orchester Nr. 2, 1973 leitet Frank Morgenstern dessen Oratorium für Alt, Chor und Orchester. Außerdem führt das 1. Bläserquartett des Theaters der Stadt sein Bläserquintett „Münchhausen erzählt“ in zahlreichen Kammer- bzw. Schulkonzerten auf. Johannes Werners Operette „Netze an Bord“ erlebte bereits 1954 am Cottbuser Theater ihre Premiere. Im Dezember 1972 wird seine chorsinfonische Suite „Ein kleiner roter Stern“ für Sopran, Bariton, Kinderchor, gemischten Chor und Orchester uraufgeführt und im September 1978 stellt KS Friedrich Krausewald dessen 6 Lieder für Bariton und Orchester vor. Von Schauspielkapellmeister Hans Wilhelm Hösl (1970-75), kommen die Uraufführungen seiner Sinfonie op. 7 im September 1974 und des Scherzo für großes Orchester im September 1983 heraus. Die Bühnenwerke Robert Hanells sind im vorherigen Artikel benannt worden. Der langjährige Gastdirigent seit den 1960er Jahren führt hier im März 1975 aber auch „Rhytmosaik“ – Orchestervariation über ein Gerswhin-Thema erstmals auf.

Der Soloposaunist und Kammermusiker Karl Esbach wirkt von 1958 bis 1990 am Cottbuser Theater. Er ist seit 1962 künstlerischer Leiter der „Spreewaldmusikanten“ bzw. der „Original Spreewaldmusikanten“ und erlangt damit große Popularität über den Cottbuser Raum hinaus. Einige seiner Kompositionen werden innerhalb der Veranstaltungen „Blasmusik im Frack" in den 1980er Jahren auch im Theater gespielt, neben mehreren Liedern wie beispielsweise Branitzer Park und Kleine Blume (Spreewaldsommer) auch Roulette. Über zwanzig Jahre, von 1962 bis 1984, musiziert der Solo-Pauker Harald Lorscheider im Orchesterensemble. 1979 kommt von ihm Divertimento für Orchester zur Aufführung. Schauspielkapellmeister Frank Petzold (1994-2001), dessen  Bühnenwerke im ersten Teil benannt wurden, stellt 1987 die Stieber-Reflexionen für Orchester vor. 1998 erlebt seine Komposition Erdreich“ nach Texten von Sarah Kirsch unter der Leitung von GMD Reinhard Petersen ihre Uraufführung. Solorepetitor und Kapellmeister Diether Noll (1993-99) komponiert 1990 „Der himmlische Frieden" - Ein chinesisches Requiem für Sopran, Bariton, Sprecher, Chor und Orchester, das 1999 aufgeführt wird.  Von Schauspielkapellmeister Rainer Böhm, (1993-94), dessen Oper „Quasimodos Hochzeit“ 1998 ihre Uraufführung feiert, präsentiert das Philharmonische Orchester 2003 ebenfalls unter der Leitung von GMD Reinhard Petersen „Verwehte Zeit" Konzert für Hornquartett und Orchester.

Relativ spät kommen Werke von Ulrich Pogoda am Staatstheater Cottbus zur Aufführung, erst 2004 mit der Aufführung des Sinfonischen Poems „Maria Grollmuss“, dann 2006 mit Stufen und 2009 die Uraufführung „Credo“ für Orgel und Orchester unter der musikalischen Leitung vom 1. Kapellmeister Marc Niemann. Von Hans Hütten, der von 1964 bis 1971und weiter als ständiger Gast als Trompeter im Theaterorchester musiziert, wird 2006 Memento aufgeführt. Der Komponist und Präsident des Cottbuser Musikherbst Bernd Weinreich arbeitet von 2004 bis 2006 als Pressereferent am Staatstheater Cottbus. Auch seine Kompositionen kommen wie die der anderen regionalen Komponisten zumeist außerhalb des Theaters zur Aufführung. Von ihm stammt jedoch 2006 die Bühnenmusik zur Uraufführung des Tanztheaterstücks „Vierzig Jahre“ in der Choreographie von Michael Apel. Einen Höhepunkt  im Schaffen der regionalen Komponisten stellt zweifellos das Jubiläumsjahr der 850-Jahrfeier der Stadt Cottbus 2006 dar. Gleich zu Beginn des Jahres gibt es unter der Leitung von GMD Reinhard Petersen in der Oberkirche ein Festkonzert, für das ausnahmslos Kompositionen von Cottbuser Komponisten ausgewählt wurden. Neben den bereits erwähnten Kompositionen Stufen von Ulrich Pogoda, Memento von Hans Hütten, Meditationen von Lothar Graap und den Stieber-Reflexionen von Frank Petzold werden die Krabat-Suite von Detlef Kobjela und die Uraufführung des jungen Cottbusers Gary Hirche Festmusik „Was bleibt?“ zu Gehör gebracht. Von ihm folgt drei Jahre später die nächste Uraufführung Fuga – ein Auftragswerk des Staatstheaters Cottbus – durch das Philharmonische Orchester in der Klosterkirche.  

Die Aufzählung von Werken regionaler Komponisten soll noch ergänzt werden von Komponisten aus dem Berliner Raum: Über die Bühnenwerke von Siegfried Matthus und Gerhard Tittel ist im letzten Beitrag schon zu lesen gewesen. Von ihnen wurden auch konzertante Kompositionen aufgeführt, so von Matthus zwischen 1968 und 1989 Kleines Orchesterkonzert, Konzert für Violine und Orchester, Marcia funebre aus: VISIONEN für Streicher und zuletzt im Dezember 2008 die Uraufführung „Ich bins, bin Beatrice“. Von Gerhard Tittel kommen zwischen 1969 und 1983 das Doppelkonzert für Violine, Violoncello und Orchester, 1983 Konzert für zwei Violinen und Orchester und 1985 Meditationen über ein Thema G. F. Händels für Orchester zur Aufführung bzw. 1975 In memoriam Joh. S. Bach" (Concerto für großes Orchester) zur Uraufführung. Weiterhin werden z.B. mehrere Kompositionen von Günter Kochan und von Kurt Schwaen aufgeführt, die letzte Uraufführung von Georg Katzer stammt aus dem Jahr 2009 und heißt „An Louise“ (Maschinentanz).

Die vorliegende Auflistung gibt nur einen Bruchteil von den aufgeführten Werken  regionaler Komponisten wieder und bezieht sich vor allem auf deren Aufführungen im Cottbuser Theater selbst oder vereinzelt auf Aufführungen durch das Orchester des Theaters. Nicht berücksichtigt sind die vielen Konzerte und  kammermusikalischen Aufführungen im reichhaltigen Musikleben der Region, Kirchen und Konservatorium eingeschlossen, die Veranstaltungen des Cottbuser Musikherbstes, des Bezirksverbandes Cottbus im Verband der Komponisten und Musikwissenschaftler der DDR bzw. des deutschen Komponistenverbandes – Landesverband Brandenburg, Gastspiele, Aufführungen durch den Kammerchor der Singakademie Cottbus e.V., die Aufführungen des Staatlichen Orchesters Cottbus und weiterer kultureller Träger.

 


 

 

 

     
   

Zum sorbisch-wendischen Musikschaffen

   
   

 Ulrich Pogoda, Cottbus (2014)

Wenn man überhaupt von einer Cottbuser Musikgeschichte sprechen darf, dann etwa seit Anfang des vergangenen Jahrhunderts. Einen erheblichen wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung erlebte die Stadt Anfang des 20. Jahrhunderts während der Amtszeit des Oberbürgermeisters Paul Werner. So wurde in diesen Jahren auch das Stadttheater eingeweiht, das nach nur 16 Monaten Bauzeit nach Plänen des bedeutenden Architekten Bernhard Sehring entstand. Damit wurde der Grundstein für eine professionelle Musikentwicklung in der Stadt gelegt. In dieser Zeit machte der sorbische Arzt, Schriftsteller und Komponist Kurt Kárnauke mit einer Vielzahl beachtenswerter musikalischer Werke auf sich aufmerksam. Der 1866 in Cottbus geborene Sohn eines Tuchfabrikanten war, trotz seiner eigentlichen Profession als Mediziner, weit mehr, als nur ein Gelegenheitskomponist. Er hinterließ u. a. acht Opern, mehrere sinfonische Werke, Kammermusik, Klavierkompositionen und konzertanten Lieder. Neben seinem Medizinstudium konnte der Kárnauke auch ein abgeschlossenes Musikstudium vorzuweisen. Welchen Einfluss das Cottbuser Theater auf sein kompositorisches Schaffen ausübte, ist bisher ungeklärt, auch blieb der musikalische Nachlass des 1944 Verstorbenen, der im Archiv des „Institutes für sorbische Volksforschung“ ein verborgenes Dasein fristet, bislang weitgehend unbeachtet und unerforscht.

Am 7. Juli 1924 wurde im damaligen Cottbuser Vorort Ma

dlow der Komponist, Musikwissenschaftler, Pädagoge und Dirigent Dieter Nowka geboren. Er ist unbestritten der bedeutendste Musiker, vielleicht sogar der bedeutendste Sohn der Stadt Cottbus. Mit seiner Oper „Jan Cuška“, die 1957 im Stadttheater als erste vollendete Oper eines sorbischen Komponisten ihre Uraufführung erlebte, setzte er Maßstäbe für die sorbische Musikentwicklung weit über die Lausitz hinaus. In einem Beitrag zur Musikgeschichte der Lausitz unter besonderer Darstellung der niedersorbischen Musikgeschichte unter dem Titel „Vom Regenzauberlied bis zur wendischen Popballade“ bemerkten die Autoren Detlef Kobjela und Werner Meschkank: „Es ist äußerst bedauerlich, das dem umfangreichen Schaffen Nowkas, welcher sich als Kapellmeister, Korrepetitor, Komponist, Musikwissenschaftler, Hochschullehrer und Publizist sowie Professor Dr. phil. sc. für Komposition, Tonsatz und Musikanalyse in die europäische Musikgeschichte eingetragen hat, in den letzten Jahrzehnten weder im Lausitzer Musikleben noch bei den Sorben selbst die ihm gebührende Aufmerksamkeit entgegengebracht wurde.“  Mit Beiträgen in dieser Publikationsreihe wurde sein Wirken als sorbischer Komponist erstmalig ausführlich gewürdigt (siehe LAUSITZER MUSIKFORSCHUNG, I/2011). Man kann die sorbischen Komponisten Kurt Kárnauke und vor allem Dieter Now

ka durchaus als Begründer einer Cottbuser Komponistenszene bezeichnen, deren Entstehungszeitraum in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts lag. Um kreative, musikalisch begabte Menschen zum ernsthaften Komponieren zu motivieren, bedarf es einen geeigneten Nährbodens und spezieller Förderungen. Dazu gehört auch der Rundfunk, der für die Verbreitung von Musik schon immer eine besondere Bedeutung hat. Im Jahr 1957 verlagerte der „Sorbische Rundfunk“ mit einer eigenen Frequenz seinen Standort nach Cottbus. Die ehemalige Freimaurerloge in der Wilhelm-Külz-Straße bot beste Bedingungen, ein Musikstudio und einen Aufnahmesaal einzurichten. Damit konnte die dringend benötigte sorbische Musik für die laufenden Sendungen produziert und Schritt für Schritt ein sorbisches Musikarchiv aufgebaut werden. Darüber hinaus war es notwendig, das sorbische Musikerbe zu dokumentieren und neues musikalisches Schaffen anzuregen. So wurde jungen, aufstrebenden sorbischen Komponisten die Möglichkeit von Aufnahme und Sendung ihrer neuen Werke angeboten, die nicht selten vom Rundfunk auch in Auftrag gegeben wurden.

Eine Schlüsselrolle nahm hierbei der sorbische Musikredteur Benno Nikolaides ein. Er regte mit großem Enthusiasmus und patriotischen Geist beileibe nicht nur die in Cottbus beheimateten sorbischen Komponisten wie Jan Paul Nagel, Jan Thiemann, Detlef Kobjela und Ulrich Pogoda zum Komponieren an. Sein Verdienst war es, eine Vielzahl von Rindfunkkonzerte zu initiieren. Es gelang ihm darüber hinaus, Komponisten nichtsorbischer Herkunft für die sorbische Musik zu begeistern. Dazu gehörten beispielsweise Hans Hütten und Harald Lorscheider, die damals als Musiker im Philharmonischen Orchester des Theaters ihre berufliche Laufbahn begannen und später das Musikleben der Stadt Cottbus als Komponisten mit geprägt haben. Als Komponist hinterließ Benno Nikolaides vor allem viele originelle sorbische Lieder, von denen nicht wenige zu Volksliedern geworden sind. Überhaupt war das Orchester des Cottbuser Theaters mit seinen Musikern immer ein unentbehrlicher Partner bei Musikproduktionen des sorbischen Rundfunks und bei der Förderung der sorbischen Gegenwartsmusik. Auch Hubert Kross und Hans Wilhelm Hösl, die als Kapellmeister am Cottbuser Theater tätig waren, schufen eine Vielzahl von beachtlichen Werken, die in der sorbischen Musik einen wichtigen Platz einnehmen. Die Cottbuser Komponistenszene ist damit wesentlich geprägt worden vom Miteinander sorbischer und nicht sorbischer Komponisten und konnte dadurch einen ganz eigenen Charakter entwickeln.

 Der Komponist und Musikwissenschaftler Detlef Kobjela, geboren 1944 in Wilmersdorf hat an dieser Entwicklung als geistige Autorität einen wesentlichen Anteil. Wenngleich er seit vielen Jahren in Bautzen lebt, blieb er immer ein Cottbuser und ein unentbehrliches Mitglied der hiesigen Komponistenszene. Die sorbischen Wurzeln sind in nahezu in allen Werken deutlich spürbar und unverkennbar. Mit einer Vielzahl bedeutender Orchesterwerke, einfühlsamer konzertanter Lieder, prägnanten Chorliedern und Bühnenwerken, seiner Ballettoper „Das Jahr der Könige“, mit vielfältiger Kammermusik und nicht zuletzt mit der Volkskantate „Doma rědnje jo”, die von den niedersorbischen Laienchören mit Begeisterung gesungen wird, ist Detlef Kobjela der Inbegriff eines sorbischen Komponisten. Sorbische Komponisten haben einen schöpferischen musikalischen Geist in Cottbus geweckt und eine reiche, unverwechselbare und vielfältige regionale Musiklandschaft mitgestaltet. Wollen wir hoffen, dass solche wichtigen Institutionen wie das Staatstheater, der Sender Berlin-Brandenburg mit seiner Redaktion für sorbische Musik, das Konservatorium, die Hochschule Lausitz, der Brandenburgische Verein Neue Musik und der Verein „Cottbuser Musikherbst“ e.V. als Initiator und Organisator des jährlichen Festivals mit vornehmlich Werkaufführungen Lausitzer Komponisten uns und den späteren Generationen erhalten bleibt.


   
 

     
   

Heinrich Paudler - Komponist und Kapellmeister

Birgit Mache, Cottbus (2015/2016)

 

   
   

Heinrich Paudler war zu Lebzeiten in Cottbus ein stadtbekannter Mann. Er war Musikdirektor, Kapellmeister, Komponist und selbst ein ausgezeichneter Musiker, ein Violinenvirtuose, der zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist. Einen Anstoß, über diesen Mann und seine Leistungen nachzuforschen gab der Branitzer Rudi Drogatz, der sich an einen Notenkoffer erinnerte, den er vor rund 35 Jahren beim Kauf eines gebrauchten Klaviers mit dazu bekam. In dem Koffer befand sich gut gebundenes Notenmaterial, das auf Heinrich Paudler hin wies. Herr Drogatz wandte sich an Jürgen Heinrich, der diesen Fund im Cottbuser Stadtmagazin im Januar 2015 vorstellte.

Zunächst aber ein Rückblick auf die Zeit, in der Heinrich Paudler lebte und wirkte; eine Zeit, wo es weder Radio noch Fernsehen, Schallplatten, CD’s oder ähnliches gab, -  auf das Ende des 19. Jahrhunderts.  Die Menschen brauchten auf musikalische Darbietungen wie Konzerte nicht verzichten. Zum Einen bestanden viele Gesangsvereine, aber auch private Musikschulen, deren Mitglieder oder Schüler ihr Können gern vorstellten. In den Garnisonsstädten waren es die Regimentskapellen, die für  musikalische Unterhaltung sorgten, ferner gab es Solisten und kleinere Musikergruppen, die ähnlich der Schauspielergruppen durch die Lande zogen, aber auch für längere Zeit in Ortschaften Engagements annahmen. Vor allem waren Restaurateure mit dementsprechenden, geeigneten Räumlichkeiten  daran interessiert, Musiker zu engagieren, um Gäste in ihre Häuser zu bekommen. Die musikalische Palette reichte dabei von Kaffeehausmusik, über Marschmusik, Ballmusik (Tanzmusik) bis zu anspruchsvollen Konzerten. In Cottbus bestanden zu jener Zeit kleinere Musikergruppen, aber auch die Regimentskapelle. Beliebt war dessen Leiter/Direktor der Stabshoboist  im Regiment 52 Ernst Wilde. Ferner gab es den Kapellmeister Fritz Richter, der von seinem Vater mit gleichem Namen, nach dessen Tod, seine  Musiker – eine ganze Kapelle – übernahm. Für ein günstiges Angebot aus Landsberg an der Warthe verließen 1875 Fritz Richter junior und seine Musiker  Cottbus  für einige Jahre. Das Konzertleben soll in Landsberg  einen großartigen Aufschwung erlebt haben, allerdings nur für eine begrenzte Zeit. Anfang der 1880er Jahre  kehrte Fritz Richter nach Cottbus zurück, nachdem er einige gute Angebote bekommen hatte. Hier baute er ab 1883 eine neue Kapelle auf, die Stadtkapelle. Solch eine Kapelle musste gut besetzt sein, um mehrere Auftritte gleichzeit bedienen zu können. Fritz Richter war mit seiner Stadtkapelle ebenso beliebt, wie Ernst Wilde mit der Regimentskapelle. Leider verstarb Fritz Richter im Februar 1893 im Alter von 47 Jahren.

Über dessen Beisetzung berichtete sogar der „Cottbuser Anzeiger“ v. 10.02.1893: Der Leichenzug ward so ein derart imposanter und umfangreicher, wie wir ihn hier bisher nur bei den seltesten Anlässen zu verzeichnen hatten. Die Stadtkapelle bestand weiter unter der Leitung der Witwe Helene Richter als Eigentümerin und dem Brudes des Verstorbenen Arthur Richter als Geschäftsführer.  Neben dem Musiklehrer Richard Scholz, der vorübergehend als Kapellmeister fungierte, wurde noch ein leitender Dirigent gesucht. Bereits im August 1893 war dieser gefunden und zunächst für ein Jahr unter Vertrag genommen. Es war der 30jährigen Kapellmeister und Soloviolinist Heinrich Paudler, der bisher  in Nürnberg ein Engagement hatte.

Heinrich Paudler  stammte aus Böhmen. Er war am 19. Januar 1863 in Habendorf als Sohn des Feldgärtners  Fritz Josef Paudler und dessen Ehefrau Apollonia, geb. Rehnelt, geboren. Über Heinrich Paudlers Kinder- und Jugendjahre, sowie über seine musikalische Ausbildung ist bisher nichts bekannt. Das erste Antrittskonzert des neuen Dirigenten Heinrich Paudler in Cottbus mit der Stadtkapelle fand am Montag, den 21. August 1893 im Konzerthaus  von Hermann Kolkwitz, Roßstraße 33 (zuletzt als Stadtsäle bekannt) unter dem Begriff „Militair-Musik“  statt. Darüber schrieb der „Cottbuser Anzeiger“ am Donnerstag, den 24. August 1893:

Das am vorgestrigen Montag im Konzerthaus=Garten des Hernn Kolkwitz veranstaltete Antrittskonzert des neuen Kapellmeisters der Stadtkapelle, Herrn Paudler, war trotz der drohenden Regenwolken und Feueralarms sehr gut besucht. Das vorzüglich gewählte Programm wurde mit großer Exaktheit durchgeführt. Als Glanznummern gelten die Ouvertüren zu „Oberon“ und „Zampa“, vor allem aber die große Fantasie aus Wagners „Walküre“, wohl die schwerste Piece*, welche für Militärmusik geschrieben ist. Hier schien der erste Pistonbläser* etwas erlahmen zu wollen, was wohl theilweise auf den im allgemeinen strammen Dienst der Stadtkapelle zurückzuführen war. Im Ganzen konnte das Publikum und Herr Kapellmeister Paudler, welcher nach jeder Piece durch rauschenden Applaus hervorgerufen wurde, mit dem Erfolge des Konzerts zufrieden sein. Heute Mittwoch findet das erste Antrittskonzert für Streichmusik im Gesellschaftshausgarten statt.

(*Piece = Musikstück, Pistonbläser – Piston= Kornett – Blechblasinstrument)

Zwei Tage später, am  Mittwoch, den 23. August 1893, fand unter der Bezeichnung „Fritz Richter-Concert“, in Erinnerung an den verstorbenen Kapellenchef, das  erste Antrittskonzert für Streichmusik des Kapellmeisters Heinrich Paudler im Garten des Gesellschaftshauses Döring (Oberkirchplatz 10, zuletzt als Kino Kammerlichtspiele genutzt) statt. Zu dem Programm gehörte die Ouvertüre „Die Hebriden“  von F. Mendelssohn,  die Ouvertüre. zur Oper „Pique Dame“ von Franz von Suppé, sowie „Ein Immortellenkranz für Lortzing.“ Ferner wurden zwei Streichquintette gespielt: 1. Osterglocken, 2. Teufelchen.  Vermutlich waren diese zwei Stücke auch eigene Kompositionen Paudlers. Vor dieser Abendveranstaltung waren die Musiker der Stadtkapelle bereits am Nachmittag in der Ausflugsgaststätte Neu-Holland (verlängerte Bautzener Straße/Madlower Heide, jetzt kleine Wohnsiedlung östlich des Südfriedhofes) im Einsatz. Am  Freitag, den 25. August 1893, lud der Inhaber des Restaurants Markgrafenmühle zu einem großen Abendkonzert mit der gesamten Stadtkapelle unter der Direktion des Kapellmeisters H. Paudler in den Kaffeegarten ein. Geworben wurde mit „gediegenem Programm, Militärmusik und Illumination“. Das Konzertangebot war seinerzeit groß. Jeden Montag gab es sogenannte große Abendkonzerte im Konzerthaus von Hermann Kolkwitz, mittwochs fanden die Fritz-Richter-Konzerte in Döring’s Gesellschaftshaus statt. In den Sommermonaten gab es in den Kaffeegärten der Markgrafenmühle und von Neu-Holland dementsprechende Konzerte der Stadtkapelle. Die Regimentskapelle war ebenso stark gefragt. Sie spielte bei Kloses, Dresdener Straße 14 (später bekannt als Schlesischer Hof, Gewerkschaftshaus), in Loll’s Etablissement, Dresdener Straße 139 (später Langenberg, Südlichtspiele), bei Utz im Stern an der Promenade (heute Familienhaus) und anderen Lokalitäten. In Cottbus gab es seinerzeit etwa 15 Saalbesitzer in deren Räumlichkeiten Konzerte statt finden konnten, nicht gezählt sind die Kaffeegärten. Bei dem Fritz-Richter-Konzert am 30. August 1893 trat Heinrich Paudler mit einem Violinensolo, der Fantasie de Ballet von Beriot auf. Eine Woche später glänzte die Stadtkapelle im Döringschen Hause mit einem Operettenabend. Darüber schreibt ein musikverständiger Leser im Cottbuser Anzeiger:…Was nun die Ausführung der einzelnen Piecen der Kapelle unter der Leitung des neuen Dirigenten Herrn Paudler betrifft, können wir konstatieren, daß sich sowohl die Kapelle als auch der Dirigent ersichtlich Mühe gaben, das Vorzüglichste zu leiste. Besonders hervor zu heben sind Duett aus Bettelstudent von Millöcker und Offenbachiana, Potpourri von Conradi. Hier  trat so recht die künstlerische Fähigkeit des Herrn Paudler hervor; er versteht es, wie selten Einer, aus jedem Instrument das Richti

ge herauszuholen, die Nüancirung ist eine so vortreffliche, wie wohl früher nur selten. Auch die übrigen Piecen wurden recht exakt und sicher zum Vortrag gebracht; das Publikum unterhielt sich vortrefflich und glauben wir kein schlechter Prophet zu sein, wenn wir annehmen, daß die Konzerte unserer Stadtkapelle auch in diesem Winter wieder, wie in den früheren Jahren das Rendez-vous des musikliebenden Cottbuser Publikums sein werden…(CA 08.09.1893)

Die Stadtkapelle beteiligte sich an Wohltätigkeits-Vergnügen und nutzte jede Gelegenheit, die sich bot, um aufzutreten. Für die Winterhalbjahre organisierte seit Jahren in Zusammenarbeit mit Saalbesitzern der Kaufmännische Verein „Hermes“ spezielle Sinfonie-Konzerte. Das erste dieser Saison fand am 22. September 1893 im Gesellschaftshaus Döring statt. Schon in einem Vorabbericht schrieb der Cottbuser Anzeiger:…Das Programm entspricht zwar nicht dem strengen Umfange eines Sinfoniekonzertes, es bietet der Vielseitigkeit halber noch etwas mehr. Zur Aufführung kommen der erste und zweite Satz aus der Es-Dur-Sinfonie (Schwanengesang) von Mozart. Weitere Nummern des Programms sind: Krönungsmarsch aus die Folkunger von Kretschmer, Vorspiel zu König Manfred, Largo von Händel mit Orgel und Piano und Overtüre zum Fliegenden Holländer von Wagner. Die Ausführung des Konzerts ist der Stadtkapelle übertragen, die Solopartie im Largo wird Herr Kapellmeister Paudler auf seiner echten Guarnerius-Violine selbst spielen. Angesichts des Gebotenen dürften zu spät kommende kaum Platz finden…(CA 22.09.1893). Recht aufschlussreich dazu ist auch der Bericht über dieses Konzert aus dem Cottbuser Anzeiger vom  24. September 1893:…Es war das erste größere Konzert der Stadtkapelle unter ihrer neuen Leitung, welchem wir beiwohnten. Wir waren dabei von vornherein angenehm überrascht, recht vorteilhafte Veränderungen wahrzunehmen, welche inzwischen mit der Kapelle vorgegangen sind. Es ist kein Zweifel, dieselbe ist von einem neuen Geiste beseelt, ein flotter Zug ist in dieselbe gekommen. Das Räthsel, wie das so gekommen sein mag, löst sich auch für den Fernerstehenden, wenn man den neuen Leiter der Kapelle, Herrn Paudler, dirigiren sieht. Derselbe schwingt seinen Taktirstock mit einer zielbewußten und erfolgreichen Energie, welche beim Zuschauer und wohl auch bei der Kapelle die Befürchtung, es könne einmal bei einer besonders schwierigen Stelle nicht recht klappen, gar nicht erst aufkommen läßt Unter diesen Umständen hatte es für uns eigentlich nichts Überraschendes, daß gestern das ganze Konzert in geradezu musterhafter Weise verlief. Die Ausarbeitung der Es-dur-Sinfonie von Mozart war sowohl im Allegro als im Andante von peinlichster Sauberkeit, das letztere war vielleicht im Tempo etwas zu getragen gehalten. Das Streichquartett, welches das Andante einleitete, überraschte durch die Zartheit des Vortrages. Dasselbe gilt von der Aufführung des Vorspiels zu „König Manfred“. Im Händel’schen Largo führte sich Herr Paudler als ein technisch feingeschulter und empfindungsreicher Geigenspieler ein; das Instrument, das er spielte, war freilich mit seinem wunderbar schönen und vollen Klang ein nicht zu unterschätzender Gehilfe. In der Ouvertuere zum „Fliegenden Holländer“, der Schlußnummer des durchgehends vom allgemeinsten Beifall aufgenommenen Konzerts, trat eine eigenartige Auffassung zu Tage, der man sich aber um so lieber fügte, als sie die charakteristischen Schönheiten der Wagnerschen Komposition in das vortheilhafteste Licht setzte…..Ende Oktober 1893 wird im Cottbuser Anzeiger über die wöchentlichen Mittwochskonzerte der Stasdtkapelle berichtet:….(sie) nehmen einen unverkennbaren Aufschwung sowohl an Qualität der Leistungen wie am Besuche…Der immerwährende nach jeder Piece anhaltende Applaus bewies, daß derartige Konzerte gemischten Programms für das kunstliebende Publikum zum Bedürfnis geworden sind…(CA 28.10.1893) Auf dem Programm standen die Rienzi- Ouverture von R. Wagner, die Ouverture zu  Fra Diavolo von Auber, die große Fantasie aus Carmen, Le Tremolo, eine Fantasie für Flöte und der Liebestraum nach dem Balle, ein Stück für Streicher. Der Auftrittskalender der Stadtkapelle war gut gefüllt. Für den 5. Januar 1894 plante der kaufmännische Verein Hermes das zweite öffentliche Sinfoniekonzert, selbstverständlich mit der gesamten Stadtkapelle unter der persönlichen Leitung des Kapellmeisters Heinrich Paudler. Dieser trat immer öfter auch bei den Konzerten mit Violinensolos auf, die das Konzertpublikum von ihm erwartete.

Im Jahre 1894 kam es zu Unstimmigkeiten innerhalb der Leitung der Stadtkapelle und wohl auch zur Unzufriedenheit bei den Musikern, die eine gesicherte Existenz für die kommenden Jahre haben wollten. Witwe Helene Richter sprach in einer größeren Annonce von einem „unztreffenden Gerücht“. Nur wenige Tage später empfiehlt sich die Cottbuser Konzert-Kapelle im „Cottbuser Anzeiger“, bestehend aus 22 Musikern der Stadtkapelle, die dort ordnungsgemäß gekündigt hatten, sowie neuen Kräften und Solisten als eigenständige Kapelle. Heinrich Paudler, dessen Vertrag zum 1. August 1894 bei der Stadtkapelle der Witwe Richter aus lief, konnte  als Dirigent und Geschäftsführer in einer Person für die neue Concert-Kapelle gewonnen werden. Unterstützt wurde diese neue Kapellengründung vorallen von den Besitzern des Konzerthauses Herrn Hermann Kolkwitz und dem Besitzer des Gesellschaftshauses Herrn Adolph Döring, aber auch der Kaffeegartenbesitzer der Markgrafenmühle und von Neu-Holland. Mit dieser Kapellengründung und den großen Auftragsgebern im Hintergrund konnte Heinrich Paudler den Schritt in eine relativ gesicherte Selbstständigkeit wagen. An dem Umfang der Auftritte änderte sich nichts. Die Concert-Kapelle übernahm nathlos die Konzerttermine der Stadtkapelle. Diese bestand jedoch weiter, nur eben mit dezimierter Musikerzahl und damit auch nur noch mit bescheidenen Auftritten. Mit seiner Kapelle stand Heinrich Paudler Veranstaltern von Wohltätigkeitskonzerten, Vereinsjubiläen, Stiftungsfesten  oder auch dem Musikverein der Musikschule des königlichen Musikdirektors und Organisten der Oberkirche Christian Friedrich Graner zur Verfügung. Er nutzte jede Gelegenheit, eigene selbst komponierte kleine Musikstücke bei Konzerten  vorzustellen, oder als Solist aufzutreten. In dieser Zeit konnte Heinrich Paudler auch an die Gründung einer Familie denken. Er heiratete im Mai 1897 die elf Jahre jüngere Agnes Noack, die Tochter des Ackerbürgers und Brauereibesitzers Johann Gustav Noack. Das junge Paar wohnte in der Wallstraße 8, einem Hause des Schwiegervaters. Dort wurde ihnen auch ihr Sohn Ernst 1899 geboren, der später nicht in Vaters Fußstapfen trat, sondern Architekt wurde. Heinrich Paudler war weiterhin mit seiner Konzertkapelle, die inzwischen oftmals auch Paudlersche Stadtkapelle genannt wurde, im Einsatz. Anfang des 20. Jahrhunderts entstand ein neues „Arbeitsgebiet“ für Musiker und Kapellen, allerdings auch eine Konkurrenz – das Kinematographen-Theater. Zunächst war es der Stummfilm, den einzelne Musiker oder kleine Kapellen musikalisch begleiteten. Zum Palmsonntag 1907 lud beispielsweise Hermann Kolkwitz  zu „Edison’s  grösstem Welttheater“ in sein Haus ein. Die Vorführungen begleitete die Konzertkapelle Richard Leopold. Andere Saalbesitzer folgten,  stellten dabei eigene kleine Kapellen zusammen,nannten sie auch Hauskapelle, damit während der Vorstellungen Künstlerkonzerte gegben werden konnten. Es bildeten sich in Cottbus auch neue Kapellen, wie das Salonorchester mit dem Dirigenten Friedrich Schreiber.

Als am 1. Oktober 1908 mit der „Weihe des Hauses“ die Eröffnungsfeierlichkeiten für das Cottbuser Theater begannen, war es das „Orchester der Stadtkapelle unter Heinrich Paudler“, das den musikalischen Teil dieser Weihestunde übernommen hatte. In der Abendveranstaltung zur Theatereinweihung, die fast identisch mit der mittäglichen Festveranstaltung war,  wurde aber an stelle des Kaisermarsches eine eigens für diesen Festtag von Heinrich Paudler komponierte und Herrn Oberbürgermeister Paul Werner zugeeignete Festouvertüre gespielt :..die im vollbesetzten Hause allgemeinen, sehr warmen Beifall fand.“ Etwa 36 bis 40 gut ausgebildete Musiker der Heinrich Paudler‘schen Konzertkapelle wurden für musikalische Darbietungen im Theater eingesetzt. Das neue Theater hatte noch kein eigenes Orchester, allerdings bereits in der ersten Spielzeit zwei Kapellmeister. Als 1. Kapellmeister fungierte Adolf Strauß, der dementsprechend auch die musikalische Leitung bei Operetten und Opern übernahm. Als zweiter Kapellmeister und gleichzeitiger Chorleiter war Dr. Fritz Barchewitz angestellt. Zum Beginn der zweiten Spielzeit bemängelte die „Märkische Volksstimme“ in einem Artikel vom 24.11.1909, dass  von Paudler rund zwanzig neue, fremde Musiker  angestellt worden wären, die nun im Theater spielen und den einheimischen die Arbeitsplätze wegnehmen würden. Ob dieser Vorwurf berechtigt war, ist anzuzweifeln. Musiker ist schließlich nicht gleich Musiker. Ganz sicher ist die Auswahl der Musiker nach den aufzuführenden, zu spielenden Stücken getroffen worden. Zum 1. Juli 1911 bekam das Cottbuser Theater einen neuen Direktor, Otto Mauersberger. Er setzte sich dafür ein, dass wieder die Oper und endlich auch ein eigenes Theaterorchester einen festen Platz im Spielplan einnehmen konnten. Als neuer Kapellmeister wurde Hans Philipp Othmer  angestellt. Heinrich Paudler spezialisierte sich auf das Komponiere. Am Donnerstag, den 18. Januar 1912 fand im Cottbuser Theater die Uraufführung der Operrette „Unter dem Halbmond“ in drei  Akten statt. Den Text schrieb der Cottbuser Mittelschullehrer und Heimatdichter Ewald Müller (1862-1932), die Musik komponierte Heinrich Paudler. Sehr umfangreich berichtete damals die Zeitung sowohl über den Inhalt der Operette, als auch über die musikalische Qualität.:..Im ganzen offenbart die Musik nicht nur eine große Summe Fleiß, mehr noch ein feines Empfinden für das Bühnenwirksame. Mit wenigen Strichen hält Herr Paudler das Charakteristische des textlichen Gedankens fest und bringt den musikalische Ausdruck  in eine gefällige Form…Das Orchester hatte sich mit Hingabe und Liebe unter der Leitung des trefflichen Kapellmeisters Albert Gabriel der Einstudierung angenommen, auch eine Harfe, die aber auch als unumgänglich nötig erscheint, war engagiert worden. Autoren und Darsteller wurden vom zweiten Akt an vielfach gerufen, dem herzlicher Beifall folgten die üblichen Auszeichnungen…..Hoffentlich bleibt der Erfolg an anderen Bühnen nicht aus…Ob diese Operette überhaupt anderswo noch aufgeführt wurde, oder auch die beiden Opern „Der Zauberschuss“ und „Das Schwert der Zaniga“? Diese Fragen lassen sich derzeit noch nicht beantworten. Während der Zeit des Ersten Weltkrieges erfuhr das Cottbuser Theater wider erwartens eine Art Blütezeit, wenn auch überall gespart werden musste. Peronal und besonders das Orchester waren starkt dezimiert worden, sodass  letzteres oftmals durch  Musiker der Militärkapellen der Ersatzbataillone des Infantrie-Regiments 52, auch durch Berliner Solisten verstärkt  werden musste, um bestimmte Stücke überhaupt spielen zu können.  Nach dem Kriege hoffte man, die Kapellen- und Orchesterlandschaft neu zu ordnen.  Interessant dabei ist, dass sich zum 1.Oktober 1920 ein „Genossenschafts-Orchester Cottbus“ gründete, das die Ausführung von Musikaufträgen jeder Art übernehmen wollte: „Wir richten an die Bevölkerung von Cottbus und Umgebung die Bitte, den jetzt hier gemachten Versuch, ein gutes Orchester zu errichten, durch Überweisung von Aufträgen zu unterstützen. Das Orchester stellt die Musik im Theater. Es werden im Winter von uns auf eigene Rechnung veranstaltet: Sechs große Sinfonie-Konzerte, sowie vier Kammermusikabende und nach Möglichkeit in jeder Woche ein Konzert mit gemischtem Programm. Musikalische Leiter sind die Herren Kapellmeister Paul Prill und Adolf Kassebohm.“ (CA 04.09.1920)  Paul Prill war zu jener Zeit erster Kapellmeister am Cottbuser Theater, Adolf Cassebohm  wurde später staatlich geprüfter Kapellmeister, Chordirigent und Musiklehrer. Er leitete auch die Orchester-Vereinigung der Berufsmusiker. Heinrich Paudler trug in den 1920er Jahren noch die Bezeichnung  Musikdirektor, einer eigenen Kapelle stand er aber nicht mehr vor. Er verdiente seinen Lebensunterhalt  als privater Musiklehrer für Violine, Cello und Harmonielehre.

Nach längerem Leiden verstarb Heinrich Paudler kurz vor Vollendung seines 67. Lebensjahres am 10. Januar 1930 in Cottbus. Beide Tageszeitungen, der „Cottbuser Anzeiger“ als auch die „Lausitzer Landeszeitug“ brachten gleichlautende Familienanzeigen und separat je einen kurzen Lebenslauf mit den Leistungen Paudlers. Auf dem Cottbuser Nordfriedhof  befand sich die Familienparzelle auf der Heinrich Paudler am 13. Januar 1930 beigesetzt wurde.


   
 

     
    Ein Leben für die Musik    
   

Zum 10. Todestag von GMD Frank Morgenstern

Birgit Mache, Cottbus (2017)

 

   
   

Frank Morgenstern wurde am 17.7.1928 in Kleinhartmannsdorf geboren. Vielfältige musikalische Anregungen erhielt er bereits während seiner Schulzeit, in der er unter Chorleiter Rudolf Mauersberger im Dresdner Kreuzchores sang. Doch der Krieg verschonte ihn wie die meisten seiner Altersgefährten nicht, 16-jährig wurde er auch in den letzten Kriegsmonaten eingezogen. Fortan wollte er sich der schönen Seite des Lebens, in dem Fall der Musik, widmen und diese Liebe zunächst als Musiklehrer weitergeben, entschied sich dann aber nach dem Abitur für das Theater- und Konzertleben. Er studierte an der Staatlichen Hochschule für Musik in Leipzig in den Hauptfächern Dirigieren und Klavier und blieb im Anschluss ein Jahr als Assistent an der Hochschule. Von 1952 bis 1957 trat er sein erstes Engagement als Solorepetitor und Kapellmeister am Theater der Stadt Stralsund an. 1957 kam Frank Morgenstern als 1. Kapellmeister ans Theater der Stadt Cottbus, nachdem er sich durch ein Probe-Dirigat mit der „Fledermaus“ empfohlen hatte. Eines der ersten Dirigate Morgensterns war die Wiederaufnahme von Lortzings Oper „Der Wildschütz“, die am Ende der vorangegangenen Spielzeit noch unter der musikalischen Leitung von Kapellmeister Siegfried Franze Premiere hatte. Das Pensum seiner ersten Spielzeit war immens und sollte auch in den Folgejahren nicht weniger werden. Morgenstern übernahm die Einstudierung und musikalische Leitung von Offenbachs „Madame Favart“, Strauß‘ „Der Zigeunerbaron“, des Doppel-Ballettabends mit Gottfried von Einems „Prinzessin Turandot“ und Blachers „Fest im Süden“ und mit Mozarts „Die Hochzeit des Figaro“. Dazu kam noch ein Kammerkonzert mit Werken von Bach, Händel und Mozart, während sein erstes Sinfoniekonzert erst im Januar 1959 mit Werken von Mahler, Mozart, Mussorgski und Riethmüller folgte. Viele Erfahrungen sammelte er in den ersten Jahren nach eigener Auskunft durch die musikalische Einstudierung und Leitung von Operetten. „Die sogenannte ‚Afterkunst‘ ist oft schwieriger zu bewältigen als die sogenannte E-Musik. Ein junger Dirigent lernt im Umgang mit der Operette unheimlich viel Handwerk: Präzision, Heiterkeit, Leichtigkeit. Und er lernt, spiritus rector des Abends auch für den Sänger zu werden: Er muss ihn führen, begleiten, mit ihm mitatmen.“

 

Nach dem Weggang von Musikdirektor Hermann Josef Nellessen (1958 – 1963) übernahm Frank Morgenstern ab der Spielzeit 1963/64 die Verantwortung als Musikalischer Oberleiter und Chefdirigent – zu dieser Zeit für ein Orchester aus 63 Musikern. Drei Jahre später erfolgte seine Ernennung zum Musikdirektor durch

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as Ministerium für Kultur. Kontinuierlich baute Morgenstern sein Repertoire aus Klassik und Gegenwart aus. Neben Oper, Operette und Konzert dirigierte er mehrere große Ballette. MD Morgenstern führte Werke von Mozart, Puccini, Strauss, Wagner und Verdi, aber auch eher selten gespielte Werke von Händel auf, liebte die slawische Musik mit Smetana, Tschaikowski und Strawinski, setzte sich aber genauso für die Pflege der sorbischen Musik ein und präsentierte zahlreiche Ur- und Erstaufführungen wie beispielsweise Dessaus „Lukullus“, Hanells „Esther“ oder Matthus‘ „Lazarillo von Tormes“. Die Aufmerksamkeit für zeitgenössische Komponisten blieb ihm immer wichtig: „Sie sind es vor allem, durch die unser Musizieren das Gepräge der Zeit, in der wir leben, erhält und durch deren Werke wir das Ererbte lebendig erhalten.“

        

1964 Beethoven: 9. Sinfonie                                         1971 Auszeichnung mit dem Carl-Blechen-Preis

Großen Zuspruch erwarb er sich mit der von ihm eingeführten Tradition, zum Jahreswechsel in regelmäßigen Abständen Beethovens 9. Sinfonie aufzuführen. 1971 erhielt Frank Morgenstern den Kunstpreis des Bezirkes Cottbus – den Carl-Blechen-Preis, 1974 wurde ihm die Ehrennadel des Verbandes der Komponisten und Musikwissenschaftler der DDR verliehen. Außerdem war er Träger der Verdienstmedaille der DDR und des Vaterländischen Verdienstorden in Bronze.

Als Chefdirigent setzte er auf den Erfahrungsaustausch mit anderen Dirigenten. So gastierte regelmäßig der renommierte Dirigent Robert Hanell am Cottbuser Theater, dazu kamen Dirigenten aus dem damaligen sozialistischen Ausland. Umgekehrt war Morgenstern auch gefragter Dirigent in Polen, Ungarn, Bulgarien, in der ČSSR und in der Sowjetunion, in Jugoslawien und Rumänien. Zum 60. Geburtstag von MD Frank Morgenstern 1988 drückte Dieter Reuscher, Operndirektor am Theater der Stadt Cottbus von 1979-1991, seine Wertschätzung für Frank Morgenstern und für die Qualität des Cottbuser Musiktheaters folgendermaßen aus: „Als ich vor genau neun Jahren nach Cottbus kam, lernte ich ein Musiktheater von beträchtlicher Professionalität kennen. Mir ist damals besonders aufgefallen, daß im Vergleich zu vielen anderen Theatern die musikalische Substanz überzeugte: ein 15. „Lukullus" oder ein 28. „Freischütz" wurden so sauber musiziert wie eine Premiere, und daß Bühne und Orchester auseinanderfallen — „klappern", wie wir sagen — ist in Cottbus damals wie heute selten. Solche Qualitäten entstehen nicht von allein. Sie künden von zäher, langjähriger Arbeit, von bewußter Erziehung und künstlerischer Profilierung.“ Allmählich war das Orchester auf 82 Musiker verstärkt worden. Damit konnten auch immer anspruchsvollere Aufgaben bewältigt werden, wie beispielsweise die Aufführungen des „Rosenkavaliers“ und von „Tristan und Isolde“. 1988 kam der Lohn für die kontinuierliche jahrzehntelange Arbeit und das gestiegene Leistungsvermögen des Orchesters. Das DDR-Ministerium für Kultur verlieh dem Orchester des Theaters der Stadt Cottbus „für die hohen Leistungen des Klangkörpers bei der Gestaltung eines lebendigen und vielfältigen Theater- und Musiklebens“ den Titel „Philharmonisches Orchester“. Ein Jahr später, im Oktober 1989, erhielt auch Frank Morgenstern die Ernennung zum Generalmusikdirektor. Die nächsten Herausforderungen warteten, im musikalischen Bereich und ebenso durch den gesellschaftlichen Umbruch in der Wendezeit, zumal Morgenstern noch einige Jahre weiterhin die Funktion des stellvertretenden Intendanten ausübte. Die Suche nach einem Nachfolger als Chefdirigent gestaltete sich schwierig, groß waren mittlerweile die „künstlerischen Fußstapfen“ des GMD. Es gelang ihm, nach „Rusalka“, „Der Günstling“, „Jenufa“ und „Lohengrin“ seinen letzten großen Traum, nämlich „Wozzeck“, auf die Bühne zu bringen. Intendant Martin Schüler, seit 1991 bereits als Operndirektor am Cottbuser Theater tätig, erinnert sich voll Hochachtung an den „alten Hasen“: „Er war ein Pragmatiker per excellence, der mir auch zeigte, wie kontinuierliches, anspruchsvolles Miteinander funktionieren kann. Nie vergessen werde ich sein beharrliches Kämpfen für die Realisierung der Oper WOZZECK von Alban Berg im damaligen Haus der Bauarbeiter im Rahmen von Christoph Schroths ZONENRAND-ERMUTIGUNG 1993. Die musikalischen Anforderungen an alle waren extrem – dazu noch in einem völlig ungewohnten Ort und Bühnenbild. Die Sänger waren teilweise 40 bis 50 Meter entfernt vom Orchester. Aber der GMD ließ nie auch nur den leisesten Zweifel am Gelingen des schwierigen Projekts aufkommen – es wurde so lange geprobt und arrangiert, bis alles aufführungsreif klappte. Und dann wurde es zu einer Sternstunde für alle Beteiligten, die gerade wegen oder durch die gefürchtete Strenge des GMDs einen Sprung nach vorn schafften.“

 GMD Frank Morgenstern

Am 31.12.1994 endete offiziell die Ära Morgenstern am Staatstheater Cottbus. Sein Nachfolger wurde ab 1.1.1995 Reinhard Petersen. GMD Frank Morgenstern hatte 37 Jahre in Cottbus am Dirigentenpult gestanden, in dieser Zeit 100 Werke des Opern- und Operettenrepertoires musikalisch geleitet, etwa 300 große Konzerte dirigiert, dazu am Klavier viele Liederabende begleitet. Am Ende seiner Dienstzeit wurde er zum Ehrenmitglied des Staatstheaters Cottbus und des Philharmonischen Orchesters ernannt. Die Stadt Cottbus verlieh ihm als ersten Bürger der Stadt Cottbus die Ehrenbürgerschaft, mit der seit 1995 besonders verdienstvolle Bürger der Stadt ausgezeichnet wurden und werden. Die letzten Jahre waren für ihn nicht einfach. Bis 2003 dirigierte er etwa einmal jährlich als Gast am Staatstheater Cottbus, bis 2006 stand er, mittlerweile schon von schwerer Krankheit gezeichnet, noch am Pult des „sinfonie orchesters berlin“. Aufopferungsvoll kümmerte er sich bis zuletzt um seine ebenfalls schwer kranke Ehefrau, die Sängerin Erika Reinwald.

Frank Morgenstern starb am 7.7.2007, wenige Wochen nach dem Tod seiner Ehefrau und kurz vor seinem 79. Geburtstag. Das Theater nahm von seinem GMD Abschied mit einer bewegenden Trauerfeier in der Kammerbühne.