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Auf dieser Seite sind folgende Beiträge

zur regionalen Musikforschung veröffentlicht:

 

Studiengang Instrumental- und Gesangspädagogik an der Hochschule Lausitz (FH)

Ein Überblick

Prof. Simone Schröder, Cottbus (2011)

 

   

Studiengang Instrumental- und Gesangspädagogik an der Hochschule Lausitz (FH)

Prof. Simone Schröder, Cottbus (2011)

 

Internationalität des Studienganges Instrumental- und Gesagspädagogik an der Hochschule Lausitz (FH)

Prof. Simone Schröder / Dr. Bernhard Reichenbach, Cottbus (2012)

 

Pückler und die Musik - Die Kunst in seinem Leben

Christian Friedrich / Volkmar Herold, Cottbus (2016)

 

Wendische Klänge bei Pücklers und Callenbergs

Werner Meschkank-Měškank, Cottbus (2017)

 

Orgellandschaft in der Niederlausitz und im Lubusker Land

Bernd Weinreich, Cottbus (2015)

 

Pückler - Ein Liebhaber auf Tasten

Bernd Weinreich / Christian Friedrich, Cottbus (2011)

 

Der Studiengang Instrumental- und Gesangspädagogik ist Teil des attraktiven, breit gefächerten Studienangebots der Hochschule Lausitz (FH) und zugleich ein Alleinstellungsmerkmal unter den Fachhochschulen der neuen Bundesländer. Als künstlerisch-pädagogischer Studiengang nimmt er eine Sonderstellung ein und ist sowohl für die regionale als auch überregionale Ausstrahlung unverzichtbar. Im Land Brandenburg ist er der einzige Studiengang für diese Art von Musikberuf.

Der Studiengang bildet Studierende für das Berufsbild des Instrumental- bzw. Gesangspädagogen aus. Die Absolventen sind nach Abschluss des Studiums in folgenden Bereichen tätig:

 

·         -  als Instrumental- bzw. Gesangspädagogen an Musikschulen und ähnlichen Bildungseinrichtungen

·         -  im freien Beruf

·         -  in der EMP (sowohl an Institutionen als auch im freien Beruf)

 

Ein wichtiger Bestandteil des Studienprofils der Instrumental- und Gesangspädagogik ist die künstlerische Ausbildung auf dem  Instrument bzw. Gesang. Hier erhalten die Studierenden ihren instrumentalen bzw. vokalen Hauptfachunterricht, der von künstlerischen Maßstäben bestimmt wird. Zur Auswahl stehen die Studienrichtungen „Klassik“ und „Popularmusik“. Hier werden folgende Fächer angeboten:

 

Studienrichtung Klassik: Orchesterinstrumente, Klavier, Gitarre, Akkordeon, Blockflöte, Gesang

Studienrichtung Popularmusik: E-Gitarre, Klavier, E-Bass/Kontrabass, Schlagzeug,  Saxophon, Trompete, Gesang

 

Orchester, Ensemble, Chor und Kammermusik u. a.  ergänzen die Hauptfächer auf dem künstlerischen Gebiet.

Ein weiterer gleichgewichtiger Bereich ist die pädagogische Fachausbildung. Hier werden sowohl instrumental- und gesangspädagogische wie auch allgemeine musikalische Kompetenzen vermittelt. Dazu gehört die Eigenreflexion didaktischen Handelns sowie die Entwicklung methodischer Fähigkeiten für die pädagogische Arbeit in verschiedenen Aufgabenfeldern. Insgesamt ermöglicht der Studiengang Instrumental- und Gesangspädagogik eine individuelle Profilbildung.

 

Qualifikationen und Kompetenzen des Studiengangs

 

Im Studium zu  erwerbende Qualifikationen sind:

       -  die Fähigkeit zu künstlerisch und technisch ausgereiftem Instrumentalspiel bzw. Gesang     

       -  Kenntnis der Geschichte und Bauweise des Instruments und der musikalischen Literatur (für Sänger: Kenntnisse der Stimmphysiologie)

       -  die Fähigkeit zur musikalischen Ensemblearbeit in Mitwirkung und Leitung

       -  die Befähigung zur Vermittlung allgemeiner musikalischer sowie der speziell instrumentalen Fähigkeiten und Kenntnisse an Schüler

            unterschiedlicher Alters-, Begabungs- und Ausbildungsstufen

       -  der Erwerb von Grundlagen der Musikpädagogik, Musiktheorie und Musikwissenschaft

 

Im Studium werden Kompetenzen entwickelt, die der Hauptfach bezogenen Vermittlung dienlich sind. Die Studierenden erwerben die Fähigkeit, eigene fachliche Lernprozesse zu analysieren und in Verbindung zu bringen mit der Initiierung von Lernprozessen bei Kindern, Jugendlichen bzw. Erwachsenen aller Alters- bzw. Entwicklungsstufen. Auf Basis der so entwickelten Reflexionskompetenz lernen die Studierenden Instrumental- bzw. Vokalunterricht methodisch abwechslungsreich  zu planen, umzusetzen und zu bewerten. Durch die Ausrichtung des Curriculums auf die spätere Unterrichtstätigkeit wird eine tragfähige Basis gelegt zur Bewältigung unterschiedlichster beruflicher Anforderungen. Das Studium fördert die Entwicklung von Kompetenzen, die dem Studierenden ermöglichen, ein differenziertes Rollenverständnis für die spätere Berufstätigkeit zu entwickeln. Der Wahlpflichtbereich  zielt auf eine Ausweitung der Qualifikation und legt das Fundament für eine zusätzliche Lehrbefähigung. Er umfasst die Schwerpunktsetzung Elementare Musikpädagogik (EMP) bzw. zweites Instrument (Weiterführung des Nebenfaches).

 

Das künstlerisch-pädagogische Studium, wie der vorliegende Bachelor-Studiengang, ruht vorwiegend auf vier Säulen:

 

a)  Die künstlerische Kompetenz und die Reflexion der eigenen künstlerischen Leistung. Erste Voraussetzung für das Lehren eines Instrumentes oder Gesang      ist die Beherrschung desselben. Insbesondere im künstlerischen Bereich ist eine bewusste Auseinandersetzung mit der eigenen Leistung und den

     Bedingungen ihres Zustandekommens essentiell. 

 

b) Die pädagogische Umsetzung und die Abstraktion von den eigenen Bedingtheiten. Die Entwicklung der Studierenden (die sich vor Studienbeginn als  

    Schüler erlebt haben) zu selbstständigen Lehrern erfordert die grundlegende Umorientierung im Umgang mit den eigenen Fähigkeiten. Das pädagogische

    Handwerk und das Berufsumfeld werden vermittelt.

 

c)   Die wissenschaftliche Befähigung. In der Bachelor-Arbeit wird nachgewiesen, dass der Studierende mit dem wissenschaftlichen Sprachgebrauch und der       Denkweise der wissenschaftlichen Behandlung eines Spezialgebietes der Musikwissenschaft oder Musikpädagogik umzugehen gelernt hat.

 

d)   Die Bildungskompetenz. Der Bildungshintergrund, der für einen erfolgreichen Instrumental- bzw. Gesangsunterricht nützlich und notwendig ist, wird in       Lehrveranstaltungen wie Musikgeschichte vermittelt.

 

Unser Studiengang versucht, diesen Anforderungen umfassend gerecht zu werden. Die Ausbildung der Studierenden steht von Anfang an unter dem besonderen Aspekt einer engen Vernetzung mit den Praxisfeldern Musikschule und seit vier Jahren auch mit Schule und Kindergarten. Ein großes Praxisfeld eröffnet sich den Studierenden durch folgende Musikschulen in der Region:

·                Konservatorium Cottbus

·                Musikschule Oberspreewald-Lausitz

·                Musik- und Kunstschule des Landkreises Spree-Neiße

·                Musikschule „Gebrüder Graun“ Herzberg

·                Musikschule Hoyerswerda

·                Musikschulen Landkreis Oder-Spree

 

Praktika während der Ausbildung

 

Den Praktika, vor allem dem mentorenbetreuten Unterrichtspraktikum kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Schon während des Studiums arbeiten die Studierenden mit Praktikumsschülern und erfahren in der Praxis wünschenswertes Know-how für ihren späteren Beruf. Diese Praxiserfahrungen schaffen eine fundierte Basis musikpädagogischen Denkens und Handelns. Das Musikschulpraktikum dient der Berufsorientierung und hat zum Ziel, die Institution „Musikschule“ in seiner Struktur umfassend von „innen“ zu erleben und diese in der Zeit des Praktikums auch aktiv mitzugestalten. Der Studierende soll u. a. folgende Bereiche der Musikschule kennen lernen: 

       - Unterrichtsplanung  und -einteilung

       - Arbeit der Verwaltung (Verwaltungsleitung/Sekretariat)

       - Leitungsstruktur  Tätigkeit des Schulleiters und der Fachbereichsleiter

       - Konzeption und Durchführung von Konferenzen

       - Planung und (Mitwirkung) an Veranstaltungen (Konzerte, Freizeiten, usw.)

       - Einblick in Fortbildungskonzeptionen

       - Elternarbeit

       - Öffentlichkeitsarbeit

       - Unterrichtshospitationen 

 

Im Rahmen des weiteren Studiums wird ein studienintegriertes Unterrichtspraktikum durchgeführt. Jeder Studierende unterrichtet selbständig vier Semester mindestens einen Schüler oder eine Schülergruppe auf dem Hauptfachinstrument. Ziel des Unterrichtspraktikums ist es, dem Studierenden eine kontinuierliche über längere Zeit bestehende Unterrichtspraxis zu gewährleisten, in der er unter Hinzuziehung eines Mentors selbständig unterrichtet. Dabei sollen verschiedene Unterrichtsstile und -formen ausprobiert und sie einer kritischen Reflexion unterzogen werden.

 

Berufsaussichten der Absolventen des Studienganges IGP

 

Die Absolventen haben sehr gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt, denn das praxisnah angelegte Studium hat einen sehr guten Ruf.

Sie sind buchstäblich in alle Himmelsrichtungen verstreut und arbeiten

an kommunalen und privaten Musikschulen in einer Festanstellung mit 20 - 30 Wochenstunden oder als Honorarkraft auf Stundenbasis.

Es kommt vor, dass Studierende nach dem Studium sogar ein künstlerisches Aufbaustudium an einer Musikhochschule aufnehmen.

 

Viele Absolventen sind der Lausitz treu geblieben und kümmern sich an den hiesigen Musikschulen um die musikalische Ausbildung des Nachwuchses.

 

Musikschule

Absolventen

Studierende

Musikschule „Gebrüder Graun“ Herzberg

13

0

Musik- und Kunstschule des Landkreises

Spree-Neiße

9

7

Musikschule Oberspreewald-Lausitz

6

2

Musikschule Hoyerswerda

5

2

Niederlausitzer Musik- und Kunstschule e. V.

5

0

Konservatorium Cottbus

1

0

 

Viele Absolventen halten noch Kontakt mit dem Fachbereich und so erfahren wir, dass sie nicht nur Unterricht in ihrem Hauptfach erteilen, sondern auch im Nebenfach, in Theorie, in der Studienvorbereitung, im Instrumentenkarussel, Ensembles leiten und in der Musikalischen Früherziehung tätig sind. Einige von ihnen sind bereits Musikschuleiter. Perspektivisch werden die Studierenden mit dem Thema „Klassenmusizieren“ vertraut gemacht. Der instrumentale Klassenunterricht stellt deutschlandweit bereits eine etablierte Größe in der musikpädagogischen Landschaft dar. In Hinblick auf den steigenden Bedarf an Lehrkräften mit Kompetenzen für den Klassenunterricht richtet sich die Aufforderung auch an unseren Studiengang , unsere  Studierenden für diese Unterrichtsform didaktisch-methodisch auszubilden. Als wichtiges Ziel auf diesem Wege erscheint es, den Studierenden eine grundlegende Orientierung zu vermitteln. Dies geschieht auf der Basis der Zusammenarbeit mit dem Konservatorium Cottbus und dem Pückler-Gymnasium.

 


 

 

 

     
   

Internationalität des Studienganges Instrumental- und Gesangspädagogik an der Hochschule Lausitz (FH)

   
   

 Prof. Simone Schröder /  Dr. Bernhard Reichenbach, Cottbus (2012)

Nachdem dieser Studiengang im Heft I der Jahresschrift des IffLM vorgestellt wurde, wollen wir an dieser Stelle nun über seine vielfältigen internationalen Kooperationen informieren, die sich auf mehreren Ebenen entwickelt haben.

Schon kurz nach der Gründung des Fachbereichs Musikpädagogik, dem Vorläufer des heutigen IGP-Studiengangs, strebte der Gründungsdekan, Prof. Dr. Tibor Istvánffy, seinerzeit internationale Beziehungen zu gleichartigen europäischen Bildungseinrichtungen an. Am Anfang standen dabei – der nationalen Herkunft Istvánffys geschuldet – zunächst die Beziehungen zur „Szécheny-István-Universität“ Györ in Ungarn, speziell zum dortigen Musikinstitut „Varga Tibor Zenemüvészeti Intézet“.

 

Einen weiteren Schwerpunkt der internationalen Beziehungen bildet die Kooperation mit der „Fakultät der Künste“ der „Uniwersytet Zielongórski“ (Universität Zielóna Gora) aus unserem Nachbarland Polen. Später wurden die Partnerschaften dorthin auch auf die “State Higher Vocational Scholl Nysa“, die Staatliche Fachhochschule in Nysa (PL) erweitert. Eine gute Zusammenarbeit hat sich im Laufe der letzten Jahre auch mit dem „Conservatorio Statale di Musica „Giuseppe Tartini“ Trieste (Italien) entwickelt. Insgesamt – auch mittels gleichgerichteter Aktivitäten in anderen Fakultäten – befindet sich die Hochschule Lausitz in einem Prozess der verstärkten Internationalisierung. Und insbesondere mit dem Studiengang Instrumental- und Gesangspädagogik versteht sie sich als grenzüberschreitendes Bindeglied der Kulturen. Die geografische Nähe zu den großen Kulturnationen und ihren musikalischen Traditionen bietet ideale Anknüpfungspunkte für die eigene Profilierung, aber auch für die Sensibilisierung und Achtung unserer Studenten gegenüber anderen Kulturen.

 

Hinsichtlich der Regelmäßigkeit und des Umfangs des gegenseitigen Austausches stehen die Partnerbeziehungen zum eingangs genannten „Institut für Musik der Szécheny István Universität“ Györ an erster Stelle. So begeistert die ungarische Dozentin Marianne Spiegel alljährlich unsere angehenden Musikpädagogen mit ihrem Kurs „Solfége – Solmisation nach der Kodaly-Methode“. Weiterhin  findet alle zwei Jahre eine Exkursion von Studenten unseres Studiengangs nach Györ statt, während der sie die Praxis der künstlerischen und musikpädagogischen Arbeit an der Partnereinrichtung hautnah erleben können. Besuche an historischen Stätten der europäischen Musikkultur (Haydn und Liszt) ergänzen den Aufenthalt (siehe Foto von der Exkursion aus dem Jahr 2009).

Zahlreiche Gastkonzerte von Dozenten beider Hochschulen sowie Seminare, Meisterkurse und musikwissenschaftliche Veranstaltungen an den jeweiligen Standorten festigten die inzwischen schon freundschaftlichen Beziehungen zwischen Györ und Cottbus. Mitunter führt die Reise von Dozenten unseres Studiengangs auch in noch weit entlegenere Orte: Wolfgang Glemser, Professor für das Hauptfach Klavier an unserer Einrichtung, veranstaltet regelmäßig Gastkonzerte in verschiedenen Städten Chinas und verbindet diese mit Meisterkursen zur Interpretation und Pflege der europäischen Musiktradition. Erstmals gibt auch Frau Prof. Simone Schröder einen Meisterkurs Gesang in Chinas Hauptstadt Peking.

 

Internationale partnerschaftliche Beziehungen werden auch auf studentischer Ebene mit Leben erfüllt. Im Rahmen der ERASMUS-Förderung, dem gesamteuropäischen Studienaustauschprogramm, nutzen einige Studierende unseres Studiengangs in einem Auslandssemester die Möglichkeit,  andere Ausbildungserfahrungen zu sammeln, so zum Beispiel  im  Hauptfach Gesang an der Musikhochschule Triest oder im Fach Violoncello am Musikinstitut der Universität Györ. Nicht zuletzt zeigt sich die Internationalität auch daran, dass Studenten aus „aller Herren Länder“ in unserem Studiengang immatrikuliert sind. Offenbar ist die Kunde von der sehr praxisorientierten Ausbildung an unserem Hause bis nach Russland, in die Ukraine, nach China, Korea, Kolumbien, Brasilien, Uruguay und Chile gedrungen !

Und die Anzahl ausländischer Studienbewerber weist erfreulicherweise auch weiterhin eine stetig wachsende Tendenz auf.

 


 

   

   

Pückler und die Musik – Die Kunst in seinem Leben

   
   

Betrachtungen zur Pückler-Forschung

Christian Friedrich / Volkmar Herold, Cottbus (2016)

 

Bekannt wurde Pückler als Gartengestalter der Parke in Muskau, Branitz und Babelsberg (hier gestaltete Pückler als Auftragswerk den Park für den Prinzen und späteren König und Deutschen Kaiser Wilhelm I. und seiner Gattin Augusta), als Weltreisender und Reiseschriftsteller. Er steht mit zahlreichen Persönlichkeiten seiner Zeit in Verbindung, u. a. mit Johann Wolfgang von Goethe, Heinrich Heine, Alexander von Humboldt, Karl August und Rahel Varnhagen von Ense und mit den Repräsentanten königlicher und fürstlicher Höfe in Europa und Nordafrika. Aber auch mit den Musikschaffenden des 19. Jahrhunderts korrespondierte Pückler oder traf sich mit ihnen in den Musentempeln der Großstädte Europas. Er besaß ein ausgeprägtes Gespür zur und für die Musik seiner Zeit. Zahlreiche Briefe an Lucie von Pückler-Muskau, geschrieben während seiner zweiten Englandreise 1826 bis 1829, belegen sein emotionales Verhältnis zur Musik.

 

Woher kamen dieses Gespür und die Liebe zur Musik?

Musik, Kunst und Bildung spielten in den Adelshäusern eine große Rolle. So war es auch in Muskau. Pücklers Urgroßvater, Reichsgraf Johann Alexander von Callenberg (1697−1776), ermöglichte allen seinen Kindern eine musikalisch-künstlerische Bildung, wobei Sprachen und Musik eine besondere Rolle spielten. Diese Erziehung kam bei seiner jüngsten Tochter, Reichsgräfin Ursula Margarethe Konstantia Louise von Callenberg, verheiratete Freiin Diede zum Fürstenstein (1752−1803) zum Tragen. Sie wurde eine bekannte Cembalistin und konnte Erfolge feiern. Ihr Bruder, Reichsgraf Hermann von Callenberg (1744−1795) war ebenfalls musisch begabt und spielte u. a. das Cello. Ein Beleg für die Pflege der Hausmusik bildet das 1773 entstandene Gemälde von Georg Melchior Kraus (1737−1806) „Familie Callenberg beim Musizieren“. Es wird Pückler schon im Kindesalter interessiert haben und sein Lieblingsgroßvater, Hermann von Callenberg, Erster Präsident der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften, wird ihm die Musizierenden vorgestellt haben. Neben seinem Großvater und dessen Schwestern Louise und Henriette Luise (1745–1799), verheiratet in erster Ehe mit Graf Magnus Gotthelf von Hoym musizieren noch Reichsgraf Curt Heinrich von Callenberg (1749–1817) und der dänische Gesandte in Gotha und Gatte von Louise, Wilhelm Christoph Freiherr Diede zum Fürstenstein (1732–1807). Vielleicht hat das Bild in ihm die Liebe zur Musik geweckt.

 

In seinem langen Leben stand Pückler den Künsten immer aufgeschlossen gegenüber. Neben der Architektur und der bildenden Kunst nahm auch einen besonderen Platz die Musik ein. Der Fürst besuchte bis ins hohe Alter Theater- und Konzertvorstellungen. Diese Kunsterlebnisse waren eine wichtige Quelle für die Umsetzung seiner visionären Pläne und Vorhaben in der Gartengestaltung, welche sich besonders in seinem Fachbuch „Andeutungen über Landschaftsgärtnerei“ niederschlugen. Sein Kunstverständnis zeigt sich besonders in seiner umfangreichen Korrespondenz  mit  mehr als 500 Briefpartnern, wobei der Briefwechsel mit Lucie Fürstin von Pückler-Muskau während seiner häufigen Reisetätigkeit, beginnend mit seiner zweiten Englandreise 1826−1829, einen besonderen Stellenwert besitzt. Diesen Briefwechsel kann man im Pücklerarchiv in der Forschungsstelle Pückler in Branitz einsehen.

 

Schon bei einem seiner ersten Theaterbesuche in London, im Haymarket-Theater am 21. November 1826, nimmt Pückler eine Bewertung der künstlerischen Leistung der agierenden Schauspieler vor. Das der „grüne Fürst“ auch etwas von der Musik, von der stimmlichen Begabung der einzelnen Schauspieler versteht, hält er in einem Brief an Lucie von Pückler fest: „[…] laß mich Dich jetzt, […], in das Haymarket-Theater führen, das ich neulich besuchte, während der berühmte Liston1 zum hundertzweitenmal im Charakter des Paul Prye, einer Art Plumpers2, das Publikum entzückte. Dieser Schauspieler […] ist einer von denen, die ich natürliche Komiker nennen möchte, von der Art wie die Berliner Unzelmann und Wurm waren, […], Lachen erregen sowie sie nur auftreten, obgleich sie selbst oft im gemeinen Leben hypochondrisch sind, wie es auch bei Liston der Fall sein soll.

Die berüchtigte Madame Vestris3 war ebenfalls hier engagiert, die ehemals soviel furore machte, und noch jetzt, obgleich etwas passiert4, auf dem Theater sehr reizend erscheint. Sie ist eine vortreffliche Sängerin und noch eine bessere Schauspielerin, und noch mehr als Liston ein Liebling des englischen Publikums in jeder Hinsicht […].“5 Während seines Aufenthaltes im Vereinigten Königreich Großbritannien und Irland besuchte er fast täglich das Theater oder Konzertaufführungen. Er wohnte u. a. den Opernaufführungen von Mozarts „Die Hochzeit des Figaro“  und Webers „Oberon“ bei. Über beide Stücke gab er auch wieder sein Urteil ab. Seine Einschätzungen lassen erkennen, dass Fürst von Pückler-Muskau sich im Opernschaffen und in dem Musiktheater des ausgehenden 18. und des 19. Jahrhunderts auskannte, weil er sich mit diesem Genre beschäftigte. Seine Vorliebe galt dem Opernschaffen des italienischen Komponisten Gioachino Antonio Rossini (1792−1868).

 

Pückler liebte seine Musik, seine Kompositionen, und hatte auch eine persönliche Begegnung mit ihm 1834 im Salon der Madame Delphine de Girardin in Paris, wo es sicherlich um die Künste im Allgemeinen aber die Opernmusik im Besonderen gegangen sein könnte. Auf der Rückreise von England nach Muskau über Frankreich, im Januar 1829, weilte Pückler noch einige Tage in Paris und genoss hier das kulturelle Leben. Am 8. Januar erlebt er die Aufführung der Oper „Der Graf von Ory“ von Rossini im „Thèatre de l‘ Akadémie Royale de Musique Paris“, wo ein Jahr zuvor am gleichen Theater die Uraufführung stattgefunden hatte. Wieder zeigte sich, dass Pückler ein aufmerksamer Beobachter, Zuhörer und Kenner der Musikbranche, d. h. der neuen Bühnenwerke, ist. Seine profunden Kenntnisse zum Musikgeschehen jener Zeit gehen einher mit seinen kritischen Einschätzungen zur künstlerischen Leistung des Akteurs. Seine Meinung notierte er auf und teilte sie Lucie mit. „In der Oper vergnügte ich mich sehr  am ‚Comte Ory’, den der jüngere Nourrit6 sang. Die Kenner mögen noch soviel gegen Rossini schreien – wahr bleibt es doch, daß auch hier wieder Ströme von Melodie das Ohr entzücken, bald in Liebestönen schmelzend, im Gewitter donnernd, beim Bankett der Ritter jubelnd oder beim Gebet sich feierlich gen Himmel  erhebend. Seltsam genug ist es freilich, daß in dieser fast mehr als leichtfertigen Oper das nur als Heuchelei dargestellte Gebet der Ritter dasselbe ist, welches Rossini früher  für Karl X.7 Krönungsfeierlichkeit komponiert hatte. Madame Cinti8 sang die Rolle der Gräfin sehr gut, Mademoiselle Javoureck zeigt als Page  des Grafen sehr schöne Beine, und auch der Bassist war vortrefflich.“9

Auch schilderte Pückler seine Beobachtung und seine Empfindung zum Wandel der französischen Oper. Der Kunstkritiker Pückler war überrascht über die Entwicklung der französischen Oper. Am 7. Januar 1829 schreibt er nach dem Besuch der Opernaufführung „Die stumme von Portici“ an Lucie: „Sehr überrascht wurde ich abends in der französischen Oper, die ich noch als eine Art Tollhaus verlassen hatte, wo einige Rasende in Verzückungen schrien, als wenn sie am Spieß steckten – und jetzt dort süßen Gesang, die beste  italienische Methode und schöne Stimmen mit sehr gutem Spiel vereinigt fand. Rossini, der, wie ein zweiter Orpheus, die Oper also gezähmt, ist hierdurch der wahre Wohltäter musikalischer Ohren geworden, und Einheimische wie Fremde danken ihm gerührt ihr Heil. Ich ziehe dieses Schauspiel jetzt, obgleich es weniger Mode ist, unbedenklich der italienischen Oper vor, da es fast alles vereinigt, was man sich nur vom Theater wünschen kann – nämlich außer dem genannten guten Gesang und Spiel prächtige und frische Dekorationen und das beste Ballett in der Welt.“10

 

Als Gartengestalter war er natürlich auch interessiert an der Gestaltung der Bühnenbilder der einzelnen von ihm besuchten Aufführungen, weil sie ihm wertvolle Anregungen für seine Gartengestaltung gegeben haben. Beispiele dafür sind im Muskauer Park das geplante Mausoleum sowie die Einsiedelei und in Branitz die Gestaltung der Pergola, der Mondberge und südlich des Schilfsees die Wolfsschlucht, die Pückler in Anlehnung an Carl Maria von Webers Oper „Der Freischütz“ so nannte und des Heiligen Bergs, seit 1859 mit einem Kruzifix versehen.

Wir wissen nicht, ob Hermann Fürst von Pückler-Muskau ein Instrument gespielt hat. Die bisher uns zur Verfügung stehenden Quellensagen dazu nichts aus. Aber der Fürst Pückler wäre nicht Fürst Pückler, wenn er nicht auch zu dem Thema Musik der Nachwelt etwas Bleibendes hinterlassen hätte.

Wenn Sie nach Branitz ins Schloss kommen, können Sie das „Bleibende“ im Billardzimmer erleben. Es handelt sich um den bei Breitkopf und Härtel in Leipzig erworbenen Konzertflügel mit englischem Mechanismus.11

 

Seit der politischen Wende 1989/90 steht in Branitz das Erbe des Fürsten Pückler im Mittelpunkt der musealen, der wissenschaftlichen und der restauratorischen Arbeit. Vieles ist bereits erreicht, aber es ist auch noch viel zu tun. Das Thema Pückler und die Musik mit seinen vielen noch ungeklärten offenen Fragen, Problemen und Rätseln gehört dazu.

 

Anmerkungen:

1  John Liston (1776–1846) war ein englischer Opernsänger, der hauptsächlich in komischen Rollen agierte.

2  Plumper bedeutet soviel wie rund, mollig, hier Dickwanst.

3  Madame Lucia Elizabeth Vestris (1797–1856), eine englische Schauspielerin und Sängerin, war seit 1820 im Drury Lane und im Covent Garden engagiert. Sie gehörte zu der aus 

    Florenz stammenden Sängerfamilie, die in Paris und London ansässig war.

4  Passiert ist hier im Sinne von verblüht zu verstehen.

5  Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Vollständige Ausgabe, Neu herausgegeben von Heinz Ohff, Berlin, 2006, S. 473.

6  Louis Adolphe Nourrit, der Jüngere (1802–1839) war ein französischer Tenorsänger.  

7  Karl X. Philipp von Frankreich (1757–1836) stammt aus dem Hause Bourbon und war der letzte Herrscher Frankreichs, der den Titel „König von Frankreich und Navarra“ führte.

    Er regierte von 1824 bis 1830. Seine reaktionäre Regierung führte 1830 zur Juli-Revolution und zu seinem Sturz.

8  Laure Cinti-Damoreau (1801–1863), eine französische Sängerin, die besonders erfolgreich in Rossinis Opern war. Sie hatte Klavier und Gesang studiert und debütierte 1816 am

    Théâtre-Italien von Paris in der Oper „Una cosa rara“. Sie war neben Henriette Sontag und Maria Malibran eine der großen Primadonnen jener Zeit.

9   Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen, S. 367.

10 Ebenda, S. 365.

11  Siehe Bernd Weinreich/Christian Friedrich: Pückler – ein Liebhaber der Musik : Eine Betrachtung, in: LAUSITZER MUSIKFORSCHUNG. Jahresschrift Institut für Forschung

     und Förderung des Lausitzer Musikschaffens, Jg. I/Heft 1, Cottbus, 2011, S.15–19.

 


   
 

     
   

Wendische Klänge bei Pücklers und Callenbergs

Werner Meschkank-Měškank, Cottbus (2017)

 

In Zeiten der noch nicht erfundenen elektronischen Tonerzeugung waren neben Tierstimmen die menschlich erzeugten Melodien einzige musikalische Möglichkeit, um den Arbeitenden und arbeiten Lassenden den Tageslauf mit Klängen ein wenig angenehmer zu gestalten. Sie boten Zerstreuung, machten gottgefällig dargeboten vielgestaltige menschliche Ängste erträglich, begleiteten Dank und Hoffnungen. Musik, Gesang und Tanz bereicherten im Jahres- und Lebenslauf diverse Festlichkeiten der einfachen Lausitzer sowie der nicht einfachen Lausitzer Obrigkeiten. So erlebten es auch Fürst Hermann von Pückler-Muskau (1785 – 1871) und seine Muskauer und Branitzer Vorfahren vonseiten ihrer zu Lebzeiten noch mehrheitlich wendischen/sorbischen Untertanen (1). Einige ihrer rund vierzig Dörfer waren sogar noch im späten 19. Jahrhundert überwiegend und teilweise sogar bis zu 100 % wendisch. Aufgrund des einst hohen Anteils autochthoner wendischer Bevölkerung gehörte Muskau/Mužakow zu den 21 Lausitzer Städten (davon sieben in der Oberlausitz, 14 in der Niederlausitz), die nach der Reformation Wendische Kirchen erhielten. Damit ist unzweifelhaft eine entsprechende wendische Musik- und Kirchgesangspflege in der Herrschaftszeit derer von Dohna, von Callenberg und von Pückler verbunden gewesen. Nicht nur bei Gottesdiensten, sondern vor allem auch bei sonstigen feierlichen Anlässen im Jahreslauf oder Lebenslauf der Muskauer.

 

Den Herrschaftlichen der Muskauer Heide waren die Frömmig- und Festlichkeiten ihrer wendischen Untertanen nicht fremd. Die Schilderung eines gemeinsam begangenen Ernte- und Hochzeitsfestes der Pücklerschen Familie und ihrer Untertanen ist uns aus dem Jahre 1809 überliefert: „3. September 1809. Gegen Abend hatte die Gräfin Charlotte v. Pückler ein Bauern Erndtefest veranstaltet, was eigentlich aufm Weinberge statt haben sollte, wozu der Gärtner seit verschiedenen Tagen Anlagen gemacht hatte – das aber durch Regenwetter vereitelt wurde. Sie selbst, die Gräfin und ich als Richter und Richterin der Gemeinde, führten vom Amtshauß, unter Vortretung wendischer Musick, einen Zug von jungen Leuten, alle in Bauernkleidern, die den Erndtekranz trugen – Braut und Bräutigam trugen den Cranz. Diesen folgten 10 Paar, worunter Gräfin Bianca mit Baron Houwald, Fräul. Kracht mit H. v. Carlowitz, 2 von meinen Töchtern – Jungfer Schlabkin, Jungfer Rochaun. Der Zug gieng überm Schloßhof, die große Brücke hinauf. Die Herrschafften hatten sich unterdeßen an großen Portale versammelt. Ich als Richter muste denn den Gruß der Gemeinde vortragen, und fragen, ob es erlaubt wäre einen Erndtekranz zu überreichen. Nach erlangter Erlaubnis zogen wir denn vollends heran und übergaben der Fr. Gräfin Großmutter des Bräutigams den Cranz nebst einem Gedicht – alle Übrige erhielten Blumensträuße.
Nach Aufführung eines Rundtanzes auf dem Schloßhofe muste ich um Erlaubnis bitten noch einen Tanz auf den Tanzsaal machen zu dürfen, wohin denn nun alles zog. Im Saal wartete die Musik und unser Bockpfeiffer wurde entlaßen. Der Ball dauerte bis l Uhr, wobey die Frau Scholzin im Bewirthen sich sehr geschäftig auszeichnete.

Beylage des Gedichts, von Herr Wehlam gedichtet, und eines zweyten gedruckten Gedichtes zur Feyer des Festes“ (2)

 

Mit Herrn Wehlam (Jan Wjelan, auch Johann Wehlan, Welan, 1773 – 1852) ist der wendische Hofmeister des jungen Grafen Sylvius Wilhelm Karl Heinrich von Pückler-Muskau (1800 – 1859), des jüngeren Bruders von Hermann Pückler-Muskau, gemeint. Später unterzeichnete er wendisch „Wjelan”. Der im zur Muskauer Standesherrschaft gehörigen Dorf Braunsdorf/Brunojce gebürtige, spätere evangelische Pfarrer Wjelan, selbstbewusster Verteidiger des Wendentums im Kirchspiel Schleife/Slepo, war wiederum mit dem ebenfalls aus Muskau/Mužakow stammenden Komponisten und Schriftsteller und engen Jugendfreund, Vertrauten und Generalinspektor des Fürsten Pückler, Gottlob Leopold Immanuel Schefer (1784 – 1862) befreundet. Beide wendische Intellektuelle waren wohl auch in die jüngste Schwester des Fürsten, Agnes von Pückler (1794 – 1837) verliebt, als diese 1809 aus der Internatserziehung nach Muskau zurückkehrte und die jungen Männer betörte. Leopold Schefer, dessen wendische Herkunft bisweilen in Zweifel gestellt wird und nach dem eine Straße im Ort benannt ist, hat ihr sicher einige Lieder gewidmet.

 

Fürst Pückler umgab sich bekanntlich sehr gern mit gebildeten und geistig regen Landsleuten. So hätte das Muskauer Trio Pückler-Wehlan-Schefer die Standesherrschaft zu einem Zentrum dichterischer und musikalischer Kunst gestalten können. Indes war das Verhältnis zwischen dem Fürsten und dem Pfarrer bald und über Jahre hinaus gespannt, da letzterer wegen des Fürsten Schulden als Vertreter der Schleifer Gemeinde gegen ihn prozessierte. Schefer und Pückler aber profitierten voneinander.

 

Das von Schefer selbst entworfene Wohnhaus existiert noch in Bad Muskau. Leider verweist keine Gedenktafel auf den wendisch-deutschen Komponisten und Dichter, von dem der Verleger Johann Friedrich Hammerich (1763 – 1827) beeindruckt mitteilt: “Die Berliner wundern sich, dass Männer wie Leopold Schefer [...] hier nicht blos gedeihen und wachsen — sondern auch grünen und blühen und süße Frucht haben und sich freuen am eignen Wuchern [...] In Muskau sitzt ja einer der schönsten und liebevollsten Sänger Deutschlands — ein recht starker Sprosser in diesem Zauberhaine.” (3)

Vermutlich haben besonders Schefer und des Fürsten Großvater, Georg Alexander Hermann Reichsgraf von Callenberg (1744 – 1795) maßgeblich dazu beigetragen, dass das Wendische bei seinem Enkel Grafen Hermann (gefürstet 1822) im Grunde positiv besetzt war. Immerhin bekannte er sich, was man seinerzeit aufgrund des geringen Prestiges des Wendischen eher selten bekundete, selbst zur wendischen Herkunft. Das ist durch zwei schriftlich erhaltene Zeugnisse belegt. So schrieb er 1833 an die deutsche Schriftstellerin Bettina von Arnim (1785 – 1859): “Madame [...] O! wollten Euer [Hochwohlgeboren] nun eine gleiche Großmuth an mir, dem Besitzer dieser öden Gauen und quasi ersten Bauern allhiesiger wendischen Racen, zu üben unternehmen! Wie dankbar würde ich für diese milde Güte seyn.” (4)

 

In der Korrespondenz mit der Greifswalder Schriftstellerin mecklenburgisch-wendischer Herkunft, Gräfin Ida Hahn-Hahn (1805 – 1880) findet sich 1845 ein weiteres Bekenntnis Pücklers: „Apropos, es ist mir sehr lieb[,] daß Sie eine Wendin sind, da ich nämlich auch ein geborner Wende bin. So sind wir doch wenigstens spezielle LandLeute. Die Wenden sind Slaven, sehr innerlicher, ernster Natur.“ (5)

Dass Pückler der Iren und Wenden Musikpflege verglich, ist nicht unbekannt. So charakterisiert er während seiner zweiten England- und Irlandreise 1828 in einem Brief an die daheimgebliebene Gattin Lucie das Spiel auf dem „… Dudelsack der Irländer, dem sie jedoch weit kompliziertere Eigenschaften zu geben und sanftere Töne zu entlocken wissen als die Wenden, Polen etc. dem ihrigen.” (6)

Bei einer weiteren musikalischen Begegnung auf der Insel fiel ihm auf: “Die Melodien der Lieder, welche man sang, hatten eine auffallende Ähnlichkeit mit denen der Wenden, wie ich überhaupt zwischen beiden Völkern viel gleiche Beziehung finde. Beide fabrizieren und lieben ausschließlich reinen Kornbranntwein (Whisky) und leben fast allein von Kartoffeln; beider Nationalmusik kennt nur den Dudelsack, sie lieben leidenschaftlich Gesang und Tanz, und doch sind ihre Melodien stets melancholisch; beide sind unterdrückt durch eine fremde Nation und sprechen eine immer mehr sich verlierende Sprache, die reich und poetisch ist, ohne daß sie doch eine Literatur in derselben besitzen; beide verehren unter sich noch immer die Abkömmlinge ihrer alten Fürsten und haben den Grundsatz, daß, was nicht aufgegeben ist, auch noch nicht ganz verloren sei; beide sind abergläubisch, schlau und in ihren Erzählungen zur Übertreibung geneigt, revolutionär, wo sie können, aber etwas kriechend gegen dezidierte Macht; beide gehen gern zerlumpt, wenn sie sich auch besser kleiden könnten, und endlich sind beide bei elendem Leben dennoch großer Anstrengung fähig, obgleich sie am liebsten faulenzen, und dabei auch beide gleich fruchtbarer Natur, welches ein wendisches Sprichwort ´den Braten der armen Leute´ nennt. Die bessern Eigenschaften besitzen die Irländer allein.” (7)

 

Das Zitat wird in anderen Publikationen meist deutlich gekürzt wiedergegeben. Das Herabwürdigen der indigenen slawischen Bevölkerung gehörte eh seit Jahrhunderten in Deutschland zum üblichen überheblichen Ton. Aber dem Muskauer Standesherren war entgangen, dass die Wenden neben mehreren Dudelsacktypen auch die Tarakawa, eine Art Schalmei mit charakteristisch schnarrendem, durchdringendem Ton, sowie eine große und kleine wendische Geige als traditionelle Volksmusikinstrumente bespielten. Offenbar, wie auch aus der o.g. Schilderung des Erntefestes von 1809 zu vermuten ist, gehörten Gruppe der Muskauer wendischen Volksmusikanten seinerzeit keine Fiedler. Unter den Instrumentalisten zu Festen im Schloss aber waren sehr wohl auch Geiger, sicher auch wendische. Dies ist auf einer Lithografie von 1859 zu sehen, wo eine Frau in Muskauer Tracht und ein Mann mit Geige neben der Herrmannseiche abgebildet sind. Dies ist aber ebenso einer Anekdote zu entnehmen: Bei einem seiner Feste im Schloss habe der Fürst einst einem kleinwüchsigen Geiger ein ansehnliches Honorar versprochen, wenn er ihn auf dem Instrument spielend begleiten würde. Mit Begleitung meinte er aber nicht etwa zum Gesang, sondern zu Fuß. Der kleine Geiger hub an zu spielen und folgte dem Fürsten, wo immer dieser auch voranschritt, durch Zimmer und Gemächer, treppauf und treppab – die übrigen Gäste amüsierten sich darüber. Schließlich aber verließ der Standesherr das Schlossgebäude und begab sich hinaus in den Park – der kleine Musikant folgte ihm weiter. Fürst Hermann von Pückler, ein großgewachsener Mann, trat in den Schlossteich. Nun musste der Geiger ihm wohl oder übel auch dahin folgen, wollte er den versprochenen guten Lohn nicht verlieren. Pückler ging aber noch weiter ins tiefere Wasser, wo ihm das Nass kaum bis zur Brust, dem Geiger aber bereits bis ans Kinn reichte. Dieser hielt sein Instrument hoch über den Kopf und spielte und spielte. Schließlich hob Pückler den kleinen Mann aus dem Wasser und trug ihn wie ein Kind auf den Armen zurück ans Ufer. Die Gäste hatten ihren großen Spaß. Der Musiker aber trocknete seine Kleidung in der Küche, wurde ordentlich bewirtet und bekam sein Salär wie versprochen reichlich.

Zum Nebensatz im Brief Pücklers aus Irland, „ohne daß sie doch eine Literatur in derselben besitzen“, ist noch anzumerken, dass damals bereits eine recht ansehnliche wendische Kirchenliteratur in Ober- und Niederwendisch existierte. Ein Urgroßvater des Fürsten, Johann Alexander Reichsgraf von Callenberg (1697 – 1776), hatte daselbst im Jahre 1745 in Löbau mit dem kirchlichen Buch “Wustajonje togo Sboża” (Heilsordnung) ein einzigartiges Sprachdenkmal in dem um Muskau/Mužakow beheimateten wendischen Dialekt drucken lassen, aus welchem die Lesekundigen dann lasen, beteten und Choräle sangen. Allerdings erfolgte der Druck zweisprachig, d.h. wendisch und deutsch. Die scheinbar wohllöbliche Bildungsabsicht der Herrschaft lief allerdings letztlich darauf hinaus, die Wenden singend und betend möglichst rasch weg von ihrer slawischen Muttersprache hin zum Deutschen zu führen. Mindestens viermal wurde solches auch durch Verbote der wendischen Sprache in der Standesherrschaft unterstrichen: 1705, 1762, 1770 und 1823. Vom Fürsten selbst ist übrigens das letztgenannte Sprachverbot ergangen. Die allgemeine deutsche Germanisierungswut muss indes nicht immer mit politischem Hintergrund verbunden sein. Manche, und selbst gebildete Wenden waren bisweilen solcher Meinung, sahen die Sprache der indigenen lausitzisch-slawischen Bevölkerung als Bildungshindernis an und mutmaßten, dass Rückständigkeit und Elend in Wirtschaft und Bildung der Lausitzer Wenden sich mit ihrer Eindeutschung beseitigen ließen.

 

In unmittelbarer Nachbarschaft des Pücklerschen Besitzes zu Branitz/Rogeńc wiederum war die pietistisch gesinnte Herrschaft derer von Pannwitz in Kahren/Kórjen sogar entscheidend an der Herausbildung der modernen niedersorbisch-wendischen Schriftsprache beteiligt, indem sie 1706 den Druck von Luthers Kleinem Katechismus und 1709 des Neuen Testaments ermöglichte, denen anderenorts weitere Auflagen zu Lebzeiten des Fürsten folgten. Möglicherweise hatte Fürst Pückler den Zustand fehlender wendischer Belletristik gemeint, aber die in wendischer Sprache reichlich vorhandenen kirchlichen Standardwerke, so Gesangsbücher, Bibeln und Katechismen, nicht als wirkliche Literatur angesehen?

Als einer der wenigen Freunde des kindlichen Grafen Hermann gilt des Fürsten Großvater, der bereits erwähnte Georg Alexander Hermann Reichsgraf von Callenberg. Er beherrschte Wendisch in Wort und Schrift und verkehrte auch mit seinen Untertanen in deren Muttersprache. Man darf vermuten, dass das Wendische damals auch seinem Enkel Hermann zumindest passiv verständlich war. Das gelegentliche Verwenden und Auslegen wendischer Begriffe in der schriftlichen Hinterlassenschaft unterstreicht diese Annahme. Reichsgraf von Callenberg aber hatte eine besondere Affinität zum Wendischen, die er bis ans Lebensende aktiv gestaltete und bestimmte: So komponierte er 1788 zur Einweihung der 1766 abgebrannten, neugebauten Wendischen Kirche zu Muskau/Mužakow eine Kantate, nachdem er bereits zur Grundsteinlegung eine wendische Rede gehalten hatte.

Der Musikwissenschaftler Jan Raupp (Jan Rawp, 1928 – 2007) urteilt über dieses Ereignis etwas gespreizt: „Die kulturelle Entwicklung führte zu Ausgang des 18. Jahrhunderts in der Lausitz zu manchem bisher unbekannten Ereignis im Rahmen der kirchlichen Musikpflege. Der zu pietistischen Anschauungen neigende Graf Hermann von Callenberg (1744 – 1795) komponierte zum Beispiel 1788 eine `Kirchen-Musik zur Einweihung der wendischen Kirche in Muskau´ und übernahm bei der Aufführung dieser Kantate, deren Text sorbisch und deutsch im Druck erschien, die Orgelbegleitung. Wenngleich dieses `Kirchenkonzert´ eher als selbstgenügsame Geste des Muskauer Standesherrn und nicht etwa als Förderung kulturell-musikalischer Belange seiner Untertanen zu werten ist, stellt es doch eine Begebenheit dar, die auf Tendenzen im zeitgenössischen Musikleben verweist.“ (8)

 

In der Herrschaftszeit 1774 bis 1785 von Pücklers Großvater wurde übrigens auch kein erneutes wendisches Sprachverbot ausgesprochen. Von Callenberg wurde nach seinem Tod im Jahre 1795 auf ausdrücklichen eigenen Wunsch in der Wendischen Kirche begraben, und es erklangen wohl auf seinem letzten Weg auch wendische Lieder, während 28 andere in Muskau bestattete Herrschaften, derer zu Dohna, von Callenberg und von Pückler, ihre letzte Ruhestätte in der Deutschen Stadtkirche erhielten.

Eine besondere Tatsache für die wendische und lausitzer Musikgeschichte verdient es noch abschließend mit erwähnt zu werden: Georg Alexander Hermann Reichsgraf von Callenberg gelang es in seinen letzten Lebensjahren maßgeblich, die Arbeit der 1779 gegründeten Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften, einer der ältesten regionalen Gelehrtengesellschaften Deutschlands, wiederzubeleben, und er wurde dann deren Ehrenpräsident. Bekanntlich ging von dieser Gesellschaft in Görlitz/Zhorjelc die Initiative aus, in der Ober- und Niederlausitz wendische Volkslieder zu sammeln, um sie so angesichts der drohenden völligen Germanisierung des wendischen Volkes zu retten. 1841 und 1843 erschienen dann in zwei Bänden „Die Volkslieder der Wenden in der Ober- und Nieder-Lausitz“ von Leopold Haupt (1797 – 1883) und Johann Ernst Schmaler (Jan Arnošt Smoler, 1816 – 1884). Möglicherweise wäre diese einzigartige Sammlung mit über 500 wendischen Volksliedern ohne die Bemühungen des Fürsten Pückler Großvater heute nicht existent.

 

Quellen und Hinweise

(1) Nachfolgend wird bevorzugt der Begriff “wendisch” verwendet.

(2) Traugott Wolff „Merckwürdige Begebenheiten der Standesherrschaft, gräflich Callenbergischen Familie“

     in: „Wolffs Tagebuch“, 2. Teil, 1811 bis 1829, (die originale Orthographie der Quelle wurde beibehalten)

(3) Johann Friedrich Hammerich „Galerie von Unterhaltungsbildern aus Kreisen der Literatur, Gesellschaft und Wissenschaft.“

      in: „Der Freihafen“ zweites Heft, Altona, 1838, S. 233

(4) “Bettina von Arnim, Hermann von Pückler-Muskau. Die Leidenschaft ist der Schlüssel zur Welt. Briefwechsel 1832 – 1844”, Stuttgart, 2001, S. 223

(5) Fritz Reuter Literaturarchiv Hans-Joachim Griephan, Berlin/Barliń.

(6) H. v. Pückler-Muskau „Reisebriefe aus Irland“, Berlin, 2. Aufl. 1979, S. 196

(7) H. v. Pückler-Muskau „Reisebriefe aus Irland“, Berlin, 2. Aufl. 1979, S. 238-239

(8) Jan Raupp „Sorbische Musik“, Bautzen, 1978, 2. überarb. Aufl., S. 46

 


   
       
    Orgellandschaft in der Niederlausitz und im Lubusker Land    
   

Instrumente und ihre Restaurierung

Bernd Weinreich, Cottbus (2015)

Derzeit befinden sich in der Niederlausitz 322 Orgeln. Die Mehrzahl der Instrumente ist in gutem Zustand. Sie werden sowohl für gottesdienstliche Aufgaben als auch für Konzerte genutzt.

Bedeutende Instrumente sind (in alphabetischer Reihenfolge nach Ort / Kirche / Baujahr / Orgelbauer / Bemerkungen):

     ­ Freiwalde / Ev. Dorfkirche / 1871 / Eduard Glietsch

     ­ Gosmar / Ev. Dorfkirche / um 1775 / vermutlich Johann Christoph Schröther d. Ä.

     ­ Groß Döbbern / Ev. Dorfkirche / 1860 / Wilhelm Sauer

     ­ Groß Muckrow / Ev. Dorfkirche / vor 1800 / unbekannt / Aufstellung in Groß Muckrow 1820

     ­ Lübbenau / Kath. Kirche St. Maria Verkündigung / 1896 / Wilhelm Sauer / ursprünglicher Standort: Dorfkirche Sorno

     ­ Luckau / Ev. Stadtkirche / 1674 / Christoph Donat / restauriert 1978 ­ Missen / Ev. Dorfkirche / 1886 / Wilhelm Sauer

     ­ Neuzelle / Stiftskirche St. Marien, Josephskapelle / 1765 / Johann Michael Heinitz

     ­ Pretschen / Ev. Dorfkirche / 1845 / Johann Christoph Schröther d. J. ­ Saalhausen / Ev. Dorfkirche / 1878 / Wilhelm Sauer

     ­ Spremberg / Ev. Kreuzkirche / 1898 / Wilhelm Sauer / 21 Dispositionsänderung 1971

     ­ Vetschau / Deutsche Kirche / 1899 / Schlag & Söhne / restauriert 1990

     ­ Vetschau / Wendische Kirche / 1859 / Friedrich Kaltschmidt / restauriert 2010

     ­ Waltersdorf / Ev. Dorfkirche / 1793 / Carl Gotthold Claunigk / restauriert 1999

     ­ Zerkwitz / Ev. Dorfkirche / 1854 / Ludwig Hartig / restauriert

     ­ Zieckau / Ev. Dorfkirche / 1841 / Eduard Glietsch / ursprünglicher Standort: Hospitalkirche Luckau

 

Eine der ältesten Orgeln der Niederlausitz befindet sich in der Nikolaikirche Luckau. Der Leipziger Orgelbauer Christoph Donat fertigte 1674 das Instrument, das 1978 von der Potsdamer Firma Schuke restauriert wurde. Im südlichen Lubusker Land, dem der Niederlausitz auf polnischer Seite angrenzendem Gebiet, gibt es heute etwa 200 Orgeln, von denen nur wenige in gutem und bespielbarem Zustand sind. Das älteste Instrument stammt aus dem Jahr 1795 und steht in der Katholischen Kirche „Mutter Gottes“ in Świdnica. Der Bewahrung, Erhaltung und Restaurierung der historischen Instrumente wird seitens der polnischen Kirche sowie staatlicher Denkmalpfleger eine in den letzten Jahren gestiegene Bedeutung beigemessen.

 

Bemerkenswert sind folgende Instrumente (in alphabetischer Reihenfolge nach Ort / Kirche / Baujahr / Orgelbauer / Spielbarkeit):

     ­ Buków / St. Joseph der Bräutigam / 1854 / Ludwig Hartig / derzeit keine Nutzung möglich

     ­ Cigacice / St. Michaelis / 1900 / Wilhelm Sauer / derzeit keine Nutzung möglich

     ­ Gościkowo / St. Martin / 1931 / Wilhelm Sauer Die Orgel in der Katholischen Kirche „St. Maria Heimsuchung“ in Lubsko wurde 1912

        von Gustav Heinze (Sorau) erbaut und von Orgelbaumeister Adam Olejnik 2003 bis 2012 restauriert.

     ­ Kije / Heiligstes Herz Jesu Christi / um 1850 / derzeit keine Nutzung möglich

     ­ Klępsk / St. Maria Heimsuchung / 1822 / Ludwig Hartig

     ­ Kosieczyn / Hl. Apostel Simon und Judas Thaddäus / 1901 / Dienegott Janott

     ­ Lubsko / St. Maria Heimsuchung / 1912 / Gustav Heinze

     ­ Łęgowo Sulechowskie / St. Stanislaus Bischof / 1930 / Wilhelm Sauer / nur bedingt nutzbar

     ­ Międzylesie / Johannes der Täufer / 1835 / Ludwig Hartig / derzeit keine Nutzung möglich

     ­ Podlegórz / Erhöhung des Hl. Kreuzes / 1901 / Wilhelm Sauer

     ­ Przytok / Himmelfahrt der Jungfrau Maria / 1835 / Carl Friedrich F. Buckow / derzeit keine Nutzung möglich

     ­ Smolno Wielkie / Christus König / 1859 / Ludwig Hartig / derzeit keine Nutzung möglich

     ­ Sulechów / Erhöhung des Hl. Kreuzes / 1922 / Gustav Heinze

     ­ Świdnica / Mutter Gottes Königin von Polen / 1795 / Samuel Gottlob Meinert / nur bedingt nutzbar

     ­ Świebodzin / Allerheiligste Jungfrau Maria / 1900 / Wilhelm Sauer

     ­ Trzebiechów / Himmelfahrt der Jungfrau Maria / 1837 / Ludwig Hartig / derzeit keine Nutzung möglich

     ­ Zatonie / Gottesmutter von Częstochowa / 1799 / Samuel Gottlob Meinert / derzeit keine Nutzung möglich.

 


   
       
   

Pückler - Ein Liebhaber auf Tasten

Eine Betrachtung

Bernd Weinreich / Christian Friedrich, Cottbus (2011)

   
   

 

Die Visionen des Landschaftsgestalters und Schriftstellers, das Leben des Weltreisenden und Lebemannes und die Bemühungen Pücklers, seine Besitzungen in Muskau und Branitz zu einem Gesamtkunstwerk zu gestalten, sind oftmals beschrieben worden und geben weiterhin Anlass zu Nachforschungen und historischen Betrachtungen. Im Licht der Biografen und Historiker ist FÜRST HERMANN VON PÜCKLER-MUSKAU aber kaum als Musikliebhaber in Erscheinung getreten, obwohl in seinem umfangreichen Briefwechsel als auch den "Briefen eines Verstorbenen" zahlreiche Hinweise auf besuchte Opernaufführungen und Konzerte zu finden sind, die Pückler nachdrücklich reflektierte und manchmal mit überaus kompetenter Kritik versah.

Als weiterer Hinweis auf musische Ambitionen des Fürsten kann der Erwerb eines Konzertflügels angeführt werden. Pückler beauftragte im Frühjahr 1841 HEINRICH LAUBE (1806 - 1884)1, ein Instrument für das Muskauer Schloss zu erwerben. Laube schrieb am 12. Mai 1841 aus Leipzig: "In Betreff des Flügels muß ich Durchlaucht doch noch um ein paar Zeilen Auskunft bitten. Die Wahl solches Instrumentes ist nämlich viel leichter und viel schwerer, als wir gedacht haben. Viel leichter, weil durchschnittlich von der besten Sorte - mit englischem Mechanismus - eins wie das andere ist, nach Clara Wieck's2 Versicherung, die ich in Mendelssohn's3 Abwesenheit zu Rathe gezogen, und eins wie das andere vortrefflich, die äußerste Vervollkommnung dessen, was wir bis jetzt zu Stande gebracht. [...] Viel schwerer, weil ein solcher englischer Flügel 500 Thlr. kostet, und für die nächste Zeit gar nicht zu haben ist. Sie werden nämlich nur hier bei Härtel4 gebaut, und dergestalt gesucht, daß bis zum Winter alle Arbeit voraus bestellt, von Vorrath aber gar nicht die Rede ist."5 Nach einigem Briefwechsel zwischen Pückler und Laube zur äußeren Gestaltung des Instrumentes wird ein Breitkopf & Härtel-Flügel mit der Fabrikationsnummer 2948 nach Muskau ausgeliefert.

 

Bemerkenswert, dass sich Laube die QualiSät des Instrumentes durch Urteile von CLARA WIECK und FELIX MENDELSSOHN BARTHOLDY absicherte. "Clara Wieck, jetzt Schumann (seit 1840 mit Robert Sch

umann verheiratet, die Verf.) – ich weiß nicht, ob ihr Name, der unter den ersten Klaviervirtousen zählt, Durchlaucht bekannt ist – besitzt zum Beispiele neben einem solchen Härtel = englischen, einen Wiener Flügel erster Sorte von Graf 6, eine Sorte, welche mit deutschem Mechanismus, f

ür die beste gilt, und 300 Thaler à Stück kostet, und sie versicherte, daß sie diesen das ganze Jahr nicht anrühre, weil der Ton unvergleichlich schlechter sei."7 Laube schreibt am 9. Juni 1841 an Pückler: "Mendelssohn ist zurück, und bleibt gerade solange hier, um den zu versprochener Zeit fertig werdenden Flügel zu probiren, und wenn er irgendwie noch mangelhaft, die nöthige und praktikable Korrektur anzuordnen."8 Dies kann erst nach der Rückkehr Mendelssohns Bartholdys aus Berlin am 24. Mai 1841 erfolgt sein.

 

Es ist davon auszugehen, dass Pückler mit dem Vorhandensein eines Flügels auch repräsentieren wollte. Allein der Verweis, Clara Wieck als auch Felix Mendelssohn Bartholdy haben das Instrument begutachtet, verlieh dem Instrument eine besondere Wertschätzung. Der Vollständigkeit muss aber darauf verwiesen werden, dass weder Clara Wieck noch Felix Mendelssohn Bartholdy in Muskau oder später in Branitz darauf konzertiert haben. Im Brief vom 10. Dezember 1841 äußert Pückler gegenüber Laube sogar den Wunsch: "LISZT bitte ich viel Schönes von mir zu sagen, und daß ich eigens durch Ihre Güte das bestmöglichste Fortepiano angeschafft, um einmal das Glück zu haben, den König des Piano in Muskau darauf spielen zu hören." Dieser, Der Wunsch ging nicht in Erfüllung. Es ist sicher, dass auch Liszt als der seinerzeit bedeutendste Klaviervirtuose seiner Zeit nicht zu den Künstlern zählte, die auf dem Instrument musizierten.

 

Der heutige Museumsbesucher findet ein Instrument vor, dass nach einer oberflächlichen Instandsetzung vor über 50 Jahren, teilweise mit unzureichenden Mitteln und in nicht fachgerechter Weise, 1997 einer grundlegenden und fachmännischen Restaurierung unterzogen wurde. Damit ist es möglich, wenn auch in beschränktem Umfang, Konzerte darauf zu geben und einen Hauch damaligen Musizierens im Musikzimmer des Schlosses Branitz erlebbar zu machen. Regelmäßige Konzerte, vornehmlich mit Werken von Komponisten des 18. und 19. Jahrhunderts, finden auf einem Blüthner-Flügel aus dem Jahr 1956 im original erhaltenen Musikzimmer des Branitzer Schlosses statt.

 

Quellennachweis

1  Dr. Heinrich Rudolf Constanz Laube, Literat, Dramatiker und Theaterleiter, ab 1832 in Leipzig Redakteur der "Zeitung für die elegante Welt", wird wegen "burschenschaftlicher Umtriebe und Anstiftung zur Unzufriedenheit gegen den Deutschen Bund" zunächst aus Sachsen ausgewiesen und 1837 durch das Berliner Kammergericht zu sieben Jahren Festungshaft verurteilt. Auf Betreiben Pücklers wird die Strafe auf 18 Monate gesenkt und der Vollzug findet auf Vorschlag von Lucie Fürstin von Pückler-Muskau in den avisierten Räumlichkeiten im Muskauer Amtshaus, dem sogenannten Alten Schloss, statt. Laube zieht 1840 wieder nach Leipzig, wird Mitglied der "Liedertafel", in der neben Robert Schumann, Clara Wieck und Felix Mendelssohn Bartholdy auch fortschrittliche Dichter Mitglied waren, und nimmt später wieder regen Anteil am politischen Leben, um seine Vorstellungen vom großdeutschen Staat umzusetzen. 1849 bis 1867 ist Laube Direktor des Burgtheaters Wien, 1869 kehrt er zur Übernahme der Leitung des Stadttheaters nach Leipzig zurück, um 1872 nochmals in Wien bis 1880 das dortige Theater zu führen.

 

2  Clara Wieck (1819–1896) gab ab 1832 Klavierabende in ganz Europa und hat sich in besonderer Weise dem Werk ihres Mannes Robert Schumann und später auch Fryderyk Chopins (1810–1849) und Johannes Brahms' (1833–1897) gewidmet. Clara Schumann war die erste Klavierpädagogin am Dr. Hoch'schen Konservatorium in Frankfurt am Main.

 

3  Felix Mendelssohn Bartholdy (1809–1847), Komponist, Dirigent und Pianist, widmete sich der Wiederentdeckung der Werke Johann Sebastian Bachs (1685–1750) in Leipzig, unternahm mehrere Konzertreisen durch Europa und übernahm 1833 die Leitung des Niederrheinischen Musikfestes Düsseldorf, bevor er 1835 eine Kapellmeisterstelle am Gewandhaus Leipzig annahm. Er führte erstmalig ein, dass Konzerte nicht vom Klavier geleitet, sondern mit einem Taktstock vor dem Orchester dirigiert wurden. Mendelssohn Bartholdy gründete in Leipzig 1843 das erste Konservatorium der Musik in Deutschland.

 

4  Breitkopf & Härtel, ältester Musikverlag der Welt, gegründet 1712 von Bernhard Christoph Breitkopf (1695–1777). 1795 schloss sich Christoph Gottlob Breitkopf, der ab 1794 die Verlagsleitung innehatte, mit Gottfried Christoph Härtel (1763–1827) zur Sozietät zusammen. Härtel übernahm nach dem Tod von Breitkopf 1800 den Verlag und gründete 1807 die Klavierbaufirma, die bis 1872 bestand. Breitkopf & Härtel-Flügel gehörten seinerzeit zu den modernsten Instrumenten und wurden von bedeutenden Klaviervirtuosen wie Franz Liszt (1811–1886), Carl Maria von Weber (1786–1826), Franz Schubert (1797–1828) und Felix Mendelssohn Bartholdy gespielt.   

 

5  Aus dem Nachlass des Fürsten Pückler-Muskau: Briefwechsel und Tagebücher des Fürsten Hermann von Pückler-Muskau. Hrsg. von Ludmilla Assing, Bd. 6, Bern, Lang, 1971, S. 81, Nachdruck der Ausgabe Hamburg 1873-1876.

 

6  Conrad Graf (1782–1851) war Klavierbauer in Wien, 1824 wurde ihm der Titel "k.k. Hof Piano- und Klaviermacher" verliehen, ab 1835 galt seine Fabrik als "größte und renommierteste Wiens und des Kaiserthums", 1841 verkaufte er sein Geschäft an die Klavierbaufirma Carl Andreas Stein.

 

7 Siehe Anm. 5, S. 81.

 

8 Felix Mendelssohn Bartholdy befand sich vom 7. bis 24. Mai 1841 auf Einladung Friedrich Wilhelm IV., König von Preußen (1795–1861), in Berlin, um die Modalitäten einer Berufung an die Akademie der Künste zu verhandeln, die der Gewandhauskapellmeister im Auftrag des Königs grundlegend reformieren sollte. Mendelssohn Bartholdy hat die Berufung aber nicht angenommen, da ihm einerseits die Befugnisse des neuen Amtes als auch die Bedingungen zu vage erschienen, andererseits sein Wirken in Leipzig durch einen Besuch des Königs von Sachsen, Friedrich August II. (1797–1854), große Achtung fand und Förderung versprach.